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Wind der Gezeiten - Roman

Wind der Gezeiten - Roman

Titel: Wind der Gezeiten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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Die Entbehrungen während der Überfahrt von England nach Barbados waren ihr noch allzu gut in Erinnerung. Der ständige Durst, die Hitze, der unerträgliche Schmutz, die einseitige Kost, die Gefahren, die aus Stürmen und Flauten erwuchsen– es wäre egoistisch gewesen, ein so winziges Menschlein solchen Strapazen auszusetzen. Duncan war ein erfahrener Kapitän, einer der besten, doch auch er war auf See schon oft in Situationen geraten, die er nur mit viel Glück überlebt hatte. Hinzu kam, dass die Fahrt von der Karibik nach Europa oft beschwerlicher verlief als in umgekehrter Richtung, weil Winde und Meeresströmungen ungünstiger waren und die Reise daher entsprechend länger dauern konnte– ein weiterer Grund für Elizabeth, mit den Kindern auf Dominica zu bleiben und Duncans Rückkehr abzuwarten.
    Er streckte die Hand aus und fuhr sacht mit den Fingerspitzen über den hellen Haarflaum des Babys, so vorsichtig, wie es ihm möglich war. Er tollte bei jeder Gelegenheit mit Jonathan herum, doch Faith wagte er kaum zu berühren, aus Angst, dieses zarte kleine Geschöpf zu verletzen. Elizabeth legte sie ihm hin und wieder in die Arme, so auch diesmal.
    » Da, nimm sie bitte kurz. Sie ist satt und freut sich bestimmt, auch einmal bei ihrem Vater zu sein. « Sie reichte ihm das Kind, und er hielt es und blickte es in einer Mischung aus Ehrfurcht und Liebe an. Als die Kleine die Ärmchen über den Kopf streckte und dabei herzhaft gähnte, musste er lachen, weil es so drollig aussah. Das wiederum brachte Faith dazu, ihn mit einem breiten, sabbernden Grinsen zu betören. Sie hatte erst vor wenigen Tagen begonnen zu lächeln, eine Entwicklung, die Duncan über die Maßen entzückte. Er wurde nicht müde, sich über das Baby zu beugen und es zu animieren, sein Grinsen zu erwidern.
    » Was bist du für ein schönes Mädchen « , sagte Duncan bewundernd zu seiner Tochter. » Genau dieselbe Herzensbrecherin wie deine Mutter! « Er betrachtete die Kleine aufmerksam. » Bei Gott, Lizzie, sie wird dir wirklich jeden Tag ähnlicher! «
    » Ich finde, sie gleicht eher dir. «
    » Mir hässlichem altem Kerl? Willst du das Kind beleidigen? «
    » Du weißt, dass du fabelhaft aussiehst. « Elizabeth verkniff sich ein Grinsen. » Wahrscheinlich bist du nur wieder auf Komplimente aus. «
    » Unsinn. Aber mal ernsthaft: Sie ist dein Ebenbild. «
    » Nur weil sie blond ist? « Elizabeth schüttelte belustigt den Kopf. » Sie hat deine Augen, und auch dein Grübchen hat sie geerbt. «
    » Meinst du? « Duncan sah das Baby nochmals eingehend an, dann hauchte er einen vorsichtigen Kuss auf die kleine Stirn und gab Elizabeth das Kind zurück, denn Johnny hatte angefangen, an seinem Hosenbein zu zerren.
    » Daddy « , quengelte er.
    » Komm her, mein Sohn. « Duncan hob den Jungen auf und setzte ihn sich auf die Hüfte. » Gleich nach dem Essen gibt es Arbeit, und zwar für richtige Männer. Du kannst mir helfen. Wir müssen eine Menge Holz entladen. Heute sind wieder zwei volle Flöße angekommen. «
    » Lass ihn keinen Unfug anstellen « , sagte Elizabeth.
    » Keine Sorge, ich passe auf ihn auf. Wir sind sowieso fast fertig. Noch schätzungsweise eine Bootsladung, und die Frachträume sind voll. «
    Duncan und seine Mannschaft hatten die Zeit seit ihrer Ankunft auf Dominica nicht tatenlos verbracht, sondern dafür gesorgt, dass sie mit einer großen Ladung kostbaren Tropenholzes nach England zurückkehren konnten. Duncan dachte bei seinen Reisen immer auch ans Geschäft, von daher traf es sich hervorragend, dass der Sturm sie hierher verschlagen hatte. In den dichten Wäldern von Dominica wuchsen exotische Bäume, deren Holz in England sehr begehrt war, etwa der Bayrumbaum, aus dem wertvolles Öl gewonnen wurde, oder der Blauholzbaum, der zur Erzeugung von Farbe diente. Dominica war kaum besiedelt und daher nahezu flächendeckend von Urwald bewachsen, ein wahres Füllhorn der Natur. Zahlreiche Flussläufe durchzogen die Insel, was den Transport der Stämme vom bergigen Inneren der Insel zur Küste erleichterte.
    Duncan und seine Männer hatten in den vergangenen Wochen hart gearbeitet. Das Holz, das sie bisher gefällt hatten, würde ihnen ein hübsches Sümmchen einbringen. Duncan war zufrieden mit dieser reichhaltigen Ausbeute und voller Tatendrang. Seine glänzende Laune wirkte ansteckend, obwohl Elizabeth ihre Furcht vor dem bevorstehenden Abschied nie ganz verdrängen konnte. Auch Felicity und Anne würde sie Lebewohl sagen müssen,

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