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Wind der Gezeiten - Roman

Wind der Gezeiten - Roman

Titel: Wind der Gezeiten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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hinter dem Dorf ansteigenden Bergflanke hinaufzog, drang der entfernte Schrei eines Affen.
    Das Jauchzen ihres Sohnes und das gutmütige Lachen der Männer untermalten die friedliche Szenerie ebenso wie das zufriedene Glucksen des Babys und das zärtliche Gurren der jungen Indianerin, die der Kleinen in ihrer Sprache sanfte Worte zumurmelte.
    Elizabeth schwelgte in diesen Augenblicken der Behaglichkeit. Mit Duncan hätte das Leben nahezu vollkommen sein können. Dominica kam dem, was sie sich für ihre gemeinsame Zukunft ausgemalt hatte, sehr nahe. Irgendwer– in der Regel war es die Frau des Tabakpflanzers, die notorisch griesgrämig war– prophezeite zwar ständig unheilvolle Ereignisse, meist im Zusammenhang damit, dass immer mehr Kariben und entflohene Schwarze von anderen Inseln auf Dominica landeten, doch Elizabeth gab nicht viel auf derlei düstere Prognosen. Die Schwarzen, sofern es sie wirklich in nennenswerter Anzahl auf der Insel gab, traten nie in Erscheinung, jedenfalls hatte Elizabeth noch keinen von ihnen im Dorf gesehen. Und die Kariben, die sich in der Gegend blicken ließen, kamen nur her, um Handel zu treiben. Die Gerüchte über kriegerische Indianer von anderen Inseln, die angeblich nur darauf aus waren, Weißen den Garaus zu machen, entbehrten jeglicher Grundlage.
    Elizabeth entschied sich widerstrebend zum Aufstehen, sie hatte lange genug gefaulenzt. Mit geübten Bewegungen schwang sie sich aus der Hängematte, streckte sich und lächelte Zena an, die mit großen Augen unter den dichten Haarfransen zu ihr hochlugte. Sie strich sich das verschwitzte Haar aus dem Nacken und schüttelte ihr vom Liegen zerdrücktes Gewand aus, ein ärmelloser, in der Mitte gegürteter Baumwollkittel. Auf das Mieder hatte sie wegen der Wärme verzichtet, aber zum Abendessen würde sie es wieder anziehen. Miss Jane legte Wert auf ein gesittetes Äußeres an ihrem Tisch.
    Die Witwe kam vom Waschen zurück, die beleibte Gestalt bebend vor Aufregung.
    » Stellt Euch vor, einer von den Kariben soll einen Soldaten umgebracht haben! «
    » Wer sagt das? « , wollte Elizabeth wissen.
    » Die Engländer aus der Garnison. Sie haben Bewaffnete hergeschickt, die haben es erzählt. « Die Witwe deutete in Richtung Bootssteg, wo eine Barkasse angelegt hatte. Bewohner der Ansiedlung hatten sich am Ufer versammelt und palaverten mit den Neuankömmlingen. Bei der Debatte schien es hoch herzugehen. Trotz der Entfernung war zu hören, dass der eine oder andere laut wurde.
    » Was wollen sie hier? « , fragte Elizabeth.
    » Die Wilden jagen « , versetzte Miss Jane. Ihr feistes Gesicht verzog sich unwillig. » Seht, Colonel Howard kommt herüber. « Stirnrunzelnd deutete sie auf den grauhaarigen Uniformierten, der sich dem Haus näherte. » Was er wohl von uns will? «
    » Zena, komm mit mir ins Haus « , sagte Elizabeth aus einem Impuls heraus. Zena stand sofort auf und folgte Elizabeth zur Blockhütte. Als sie die Stufen zur Veranda hinaufstiegen, blickte Deirdre ihnen fragend entgegen.
    » Alles in Ordnung, Mylady? «
    » Hast du mein Mieder schon geflickt? Und mein blaues Kleid geplättet? «
    » Liegt beides in der Kammer. «
    Elizabeth nahm sich die Zeit, Deirdre dafür zu danken, bevor sie gemeinsam mit Zena ins Haus ging. In der Kammer zog sie den Kittel aus und stattdessen ein leinenes Unterkleid an, darüber das Mieder und schließlich den blauen Rock. Das Haar bändigte sie unter einer sauberen Haube. Als sie sich anschließend in dem schmalen, von der feuchten Witterung stark angelaufenen Spiegel betrachtete, fand sie an ihrer Erscheinung nichts auszusetzen. Abgesehen davon, dass sie für eine edle Dame viel zu braun war, sah sie genauso aus, wie sie vor diesem hergelaufenen Kommandanten auftreten wollte– wie eine untadelige englische Lady.
    Durch das offene Fenster sah sie, wie Arthur Howard sich mit einer angedeuteten Verbeugung vor Miss Jane aufbaute und den breitrandigen Hut abnahm. Er trug einen von der Sonne ausgebleichten, dafür jedoch fleckenlosen Waffenrock und ein mit Munition gespicktes Bandelier. Seine Miene war grimmig, das hagere Gesicht trotz der Wärme eigenartig blass. Die straff aufgerichtete Gestalt ließ seine innere Anspannung erkennen. Miss Jane, die Elizabeth den Rücken zukehrte, hatte skeptisch den Kopf zur Seite geneigt. Ihre ganze Haltung signalisierte Ablehnung.
    Elizabeth atmete entschlossen durch und ging zur Tür. Bevor sie die Kammer verließ, drehte sie sich zu Zena um.
    » Du bleibst

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