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Wind der Gezeiten - Roman

Wind der Gezeiten - Roman

Titel: Wind der Gezeiten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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hatte dem langen Monolog gar nicht zugehört. Er planschte in den flachen Wellen herum und setzte Sid gleich darauf mit fröhlichem Gekreisch davon in Kenntnis, dass er eine Riesenmuschel gefunden hatte. Jerry, der ein paar Schritte von den beiden entfernt im Sand saß und an einem Stück Treibholz herumschnitzte, forderte den Kleinen auf, ihm den neu entdeckten Schatz zu bringen. Er zeigte sich gebührend beeindruckt und hob an, eine Geschichte zu erzählen, in der er mitten auf hoher See bis auf den Meeresgrund getaucht war und dort eine Muschel gefunden hatte, die mindestens hundertmal so groß gewesen war wie diese. Eine wunderschöne Prinzessin hatte darin gewohnt, über und über mit Perlen behängt, und sie hatte anstelle von Beinen einen Fischschwanz gehabt.
    » Ich hätte sie geheiratet « , erklärte er Johnny. » Wenn nicht dieser Fischschwanz gewesen wäre. Ich meine– wie soll ein Mann da seinen ehelichen Pflichten nachkommen? «
    » Was sind ehelisse Pichten? « , wollte Johnny wissen.
    » Mhm, das fragst du besser deine Mommy. Aber nicht jetzt. Erst, wenn sie mit ihrem Mittagsschläfchen fertig ist. «
    Elizabeth war schon seit einer Weile wach und lugte unbemerkt durch die Maschen der Hängematte, um die friedliche Szenerie am Strand zu betrachten. Sie genoss das Spiel aus Licht und Schatten um sich herum, das immerwährende Rauschen des Meeres. Vor allem aber die Ausgelassenheit und Zufriedenheit ihres Sohnes, der bei Sid und Jerry in bester Obhut war, auch wenn die beiden mit ihrem Seemannsgarn zuweilen ein wenig zu dick auftrugen. Mit seinen knapp drei Jahren war Johnny noch zu klein, um Geflunker und Wahrheit auseinanderhalten zu können, doch das machte nichts, weil es bei den Märchen von Elfen, Trollen und Riesen, die Deirdre ihm manchmal erzählte, auch nicht anders zuging.
    Ein ungehaltenes Krähen drang an Elizabeths Ohr– so hörte es sich an, wenn ihre Tochter Hunger hatte. Am Rande ihres Blickfelds war Zena aufgetaucht. Sie hielt Faith in ihren Armen und setzte sich zu Füßen der Palme nieder, an der das Kopfende der Hängematte befestigt war. Mit breitem Lächeln sah sie zu Elizabeth auf, dann glitt ihr Blick zu dem strampelnden Bündel in ihren Armen, während sie das Baby an die Brust legte. Sofort verstummte das unwillige Maunzen und wurde durch zufriedene Sauggeräusche ersetzt.
    Es war ein wirklicher Segen, dass Zena zu ihnen gestoßen war. Infolge ihrer Totgeburt hatte sie Milch, und zwar genug, um sich mit Elizabeth beim Stillen abzuwechseln, womit Elizabeth zum ersten Mal seit Monaten ein ungestörter Nachtschlaf zuteilwurde– ein Luxus, den sie nach all den anstrengenden Wochen wahrlich zu schätzen wusste. Ganz aufgeben wollte sie das Stillen ihrer Tochter jedoch nicht, denn woher sollte sie wissen, ob Zena in ein paar Tagen oder Wochen immer noch bei ihnen sein würde? Die Eingeborenen, so hatte Miss Jane mehr als einmal betont, eigneten sich nicht als Diener, da sie es nicht schätzten, sich den Befehlen der Weißen zu unterwerfen. Sie taten nur Dinge, die ihnen Freude machten, das war jedenfalls Miss Janes Überzeugung.
    » Sie sind wie Kinder, sie leben in den Tag hinein und kennen keine Uhrzeiten und keine Pflichten. Alles, was ihre Freiheit beschränken könnte, betrachten sie mit Argwohn und Ablehnung. «
    Elizabeth hatte ein Lächeln nicht unterdrücken können.
    » Eigentlich ist das eine sehr vernünftige Einstellung, denn so würden wir doch alle gern leben « , hatte sie dazu gemeint, was Miss Jane nur ein missbilligendes Schnauben entlockt hatte. Die Witwe hielt nicht viel davon, dass eine Indianerin ein weißes Baby stillte.
    » Seht nur, wie klein gewachsen diese Menschen sind, allzu viel kann deren Muttermilch nicht taugen. «
    Von dieser Ansicht ließ sie sich nicht abbringen, obwohl sie selbst früher eine schwarze Sklavin besessen hatte, die ihrer Tochter die Brust gegeben hatte, weil ihre eigene Milch nicht ausgereicht hatte. Auch auf Barbados waren schwarze Ammen gang und gäbe, und deren Milch war gewiss nicht anders oder minderwertiger als die der Eingeborenenfrauen, weshalb Elizabeth von Miss Janes Vorurteilen nichts hören wollte. Zena war seit einer Woche bei ihnen, und Faith gedieh weiterhin großartig. Sie war nach dem Trinken bei Zena genauso satt wie bei ihr, und das freudige Strahlen, das sich auf dem kleinen Gesicht ausbreitete, wenn die Indianerin sich über ihr Bettchen beugte, ließ an Zutraulichkeit nichts zu wünschen übrig.
    Auch in

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