Wind der Traumzeit (German Edition)
dorthin. Ich muss zu Chocolate!«
Nora stellte die Teller in den Schrank und drehte sich zu ihr um. »Jetzt beruhige dich erst mal, Marie. Wir haben vorhin schon darüber gesprochen. Chocolate ist in guten Händen. Die Leute vom Reitstall werden die Tiere schon in Sicherheit bringen.« Sie sah von Marie zu Sophie und dann zu Steven, der im Laufstall auf einer Krabbeldecke lag und mit rudernden Händchen nach den Spielzeugen schlug, die sich an einem elastischen Banddrehten, das quer von einer Seite zur anderen gespannt war. »Ich werde jetzt nicht Sophie und Steven anziehen und ins Auto laden, nur damit du sehen kannst, dass es deiner Chocolate gut geht.« Sie schüttelte den Kopf. »Denk doch mal nach, Marie. Wenn jetzt jeder in sein Auto springen würde, um hier oder da nach dem Rechten zu sehen, dann käme die Feuerwehr überhaupt nicht mehr in die gefährdeten Bezirke. Und dort geht es schließlich in erster Linie um die Menschen.« Sie sah, wie ihre Tochter sich auf die Unterlippe biss, und legte ihr beide Hände auf die Schultern. »Schatz, meinetwegen ruf dort an und frag nach, wie es aussieht. Michael und seine Leute werden ganz bestimmt alles für die Sicherheit der Tiere tun.«
Marie schüttelte Noras Hände ab und wandte sich abrupt um. Keiner verstand sie. Wortlos lief sie zum Telefon und tippte die Nummer des Reitstalls ein. Wenig später legte sie auf und ging zur Treppe.
Nora sortierte Besteck in die Schublade und schaute ihrer Tochter nach. »Na, ist alles in Ordnung?«
Marie stapfte die Treppe hinauf. »Geht keiner ran.«
»Die werden wohl mit den Pferden beschäftigt sein. Wahrscheinlich bringen sie sie auf sichere Außenkoppeln, weit weg vom Feuer.« Sie hörte, wie Marie oben ihre Tür vernehmlich zuklappen ließ, und seufzte. Auch sie war besorgter, als sie offen zugab. Die Angst vor der näher rückenden Evakuierung machte ihr zu schaffen. Wann würden sie das Haus verlassen müssen? Ratlos starrte sie aus dem Fenster.
Beim Abendessen ließ Nora plötzlich ihre Gabel sinken und sah zu Tom. »Sag mal, was ist eigentlich mit Wudima? Ich war gestern bei ihr und hatte den Eindruck, dass sie gerne nach Hause möchte.«
»Wir nehmen sie morgen mit, wenn es zur Sprechstunde bei den Garretts geht. Wir können sie vorher in der Siedlung absetzen.« Nora stocherte mit ihrer Gabel im Salat. »Na, da wird sie sicher froh sein.« Sie blickte auf. »Könnt ihr denn noch so lässig weiterplanen? Ich meine, es weiß doch niemand, wie das mit dem Feuer noch wird.«
»Tja, das müssen wir abwarten. Aber bis dahin geht der normale Plan weiter.« Er schaute zu Marie, die auffallend still war und ihr Essen auf dem Teller nur hin und her zu schieben schien. »Was ist los, Marie? Hast du keinen Hunger?«
Sie schüttelte den Kopf, und Nora erklärte: »Sie macht sich Sorgen wegen des Pferdes. Ich wollte nicht extra hinfahren, und am Telefon hat sie niemanden erreicht.«
Tom nickte. » Ah, ich verstehe. Marie, du musst dir bestimmt keine Sorgen machen. Michael ist sehr umsichtig, wenn es um die Pferde geht. Er wird mit seinen Leuten heute alle Hände voll damit zu tun gehabt haben, Chocolate und die anderen in Sicherheit zu bringen. Du hättest dort gar nichts für sie tun können, und die Feuerwehr möchte auch nicht, dass alle möglichen Leute kreuz und quer durchs Einsatzgebiet fahren. Das ist nicht ungefährlich.«
Marie schwieg einen Moment. Dann schob sie ihren Teller von sich. »Kann ich bitte schon nach oben gehen? Ich bin müde.« Nora schnitt Sophie das Brot in kleine Stücke. Sie ärgerte sich über Maries offensichtliche Uneinsichtigkeit, hatte aber keine Lust mehr auf weitere Diskussionen. »Ja, dann geh.«
49
A m nächsten Tag hob das Flugzeug des RFDS am frühen Morgen von der Piste des Flugplatzes Cameron Downs ab. Wudima fühlte sich besser und freute sich auf ihre Familie und ihr Zuhause. Tom und Lisa gingen die Unterlagen für die Sprechstunde bei den Garretts durch. Es war, als wollten sie sich selbst mit ihrer alltäglichen Routine von der drohenden Feuergefahr ablenken. Beide unterbrachen sich jedoch automatisch und schwiegen betroffen, als sie die tosenden Buschfeuer draußen vor der Stadt überflogen. Eine breite Feuerfront, über der dichte schwarze Qualmwolken hingen, hielt unerbittlich Kurs auf den Ort und ließ dampfende Schwärze zurück. Lisas Augen fingen Toms Blick auf. Er hatte die Stirn gerunzelt. »Was meinst du, wird das so weitergehen?«
Sie schaute wieder aus dem
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