Wind der Traumzeit (German Edition)
auch nicht erpicht darauf, hier oben geräuchert zu werden …«
Wieder und wieder hatte Marie versucht die schwere Holztür aufzubekommen. Wütend trat sie schließlich dagegen, drehte sich um und ließ sich mit dem Rücken an die Tür gelehnt nachunten gleiten, wo sie auf dem Boden sitzen blieb. Sie schaute sich eine Weile entmutigt um, während die Angst in ihr wuchs. Von draußen gelangte immer weniger Licht herein. Die zunehmende Dunkelheit durch die Rauchwolken schien das Bedrohliche ihrer Situation zu unterstreichen. Die Luft, die der heiße Wind herantrug, roch nach Verbranntem, und Marie versuchte ein Kratzen im Hals hinunterzuschlucken.
Sie sah zur Decke, und ihr Blick fiel auf die lang gezogene Reihe schmaler Schiebefenster, die in die Außenwand oberhalb der Pferdeboxen eingelassen war. Zweifelnd überlegte sie. Konnte sie es schaffen, dorthin zu klettern? Sie stand auf und betrat die erste Pferdebox, wo sie sich bemühte, auf die Seitenwand zu klettern. Sie verwünschte ihre Riemchensandalen und sehnte ihre knöchelhohen Turnschuhe herbei, als sie immer wieder am glatten Holz der Wand abrutschte.
Sie kehrte auf die Stallgasse zurück und blickte sich um. Schließlich entdeckte sie einen alten Hocker, auf dem jemand zwei Trensen abgelegt hatte. Sie lief hin, warf die Trensen auf den Boden, kehrte mit dem Hocker zurück und stellte ihn dicht an die Seitenwand der Box. Dann kletterte sie auf die schmale Wand und schob sich langsam vorwärts, um an das Fensterchen zu gelangen. Angespannt streckte sie den Arm aus, um zu prüfen, ob sie schon an den Griff gelangte. Sie betrachtete kurz die schmutzig-blinden Scheiben, an deren Rahmen dicke Spinnweben hingen. Voller Widerwillen suchte sie mit den Augen die Fensterlaibung nach Spinnen ab. Sie pustete sich eine Ponysträhne aus der Stirn. In was für eine bescheuerte Lage hatte sie sich hier nur gebracht? Auf der Seitenwand sitzend gelangte sie nicht an den Griff, also stand sie nun vorsichtig auf der schmalen Wand balancierend auf und beugtesich vor, um das zweigeteilte Fensterchen aufzuschieben. Sie hielt unwillkürlich die Luft an, als es sich nur sehr langsam und schwer aufmachen ließ. Aufatmend sah sie durch die schmale Öffnung nach draußen und erschrak gleich darauf, als sie den starken Brandgeruch wahrnahm. Das Feuer musste schon sehr nahe sein. In der Ferne hörte sie die Sirenen der Löschfahrzeuge. Tapfer kämpfte sie sowohl ihre Angst als auch den aufsteigenden Hustenreiz nieder und begann sich vorsichtig in die Fensteröffnung zu schieben. Zweifelnd schätzte sie die Entfernung von oben bis zum gepflasterten Hof ab und bemerkte, dass ihr Herz schneller schlug. Von hier oben sah es deutlich höher aus, wie wenn man die Fenster umgekehrt vom Hof aus betrachtete. Sie hatte plötzlich Angst, sich durch die Öffnung fallen zu lassen.
Nervös gingen Toms Augen von den brodelnden Qualmwolken, die unter ihm lagen, zu Phils angespanntem Gesicht. Der hatte den Flugplatz bereits dreimal überflogen und jedes Mal nur missbilligend den Kopf geschüttelt. Die Flugüberwachung riet ihm dringend auszuweichen. Broken Hill sei bereits informiert. Phil hatte alles darangesetzt, doch noch zu landen. Nun aber sah er keine Möglichkeit mehr. Die Sicherheit der Besatzung und des Flugzeugs hatte Vorrang. Er nahm wieder Kontakt zum Tower auf und teilte mit, dass er nach Broken Hill ausweiche. Nachdem er sich verabschiedet hatte, legte Tom energisch eine Hand auf seinen Arm und deutete nach unten. »Phil, ich muss da runter!«
»Sag mal, hast du keine Augen im Kopf? Ich kann da nicht landen, Tom. Das musst du doch sehen. Ich hab’s versucht, es geht einfach nicht.«
»Dann setz mich eben ab, sobald es geht. Verdammt noch mal, ich muss zu Nora. Die haben Marie doch immer noch nicht gefunden, sonst hätten wir längst eine Meldung über Funk bekommen.«
Phil sah zur Tankanzeige. Tom war seinem Blick gefolgt. »Damit kommst du weiter als nach Broken Hill, oder? Bitte, setz mich hier vor Cameron irgendwo ab. Ich muss zu diesem Reitstall und nachsehen, ob die Kleine dort ist.«
Phil war hin und her gerissen. Dann flog er eine Linkskurve, und Tom atmete erleichtert auf. »Gott sei Dank. Das vergesse ich dir nie.«
Phil suchte mit gerunzelter Stirn die Straße nach Cameron Downs zwischen den Rauchwolken. »Keine Autos mehr. Da ist auch schon alles abgesperrt. Wie willst du das denn zu Fuß schaffen?«
Tom griff nach seinem Rucksack und zog den Reißverschluss zu. Er sah
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