Wind der Traumzeit (German Edition)
entschlossen aus. »Das kriege ich hin. Verlass dich drauf!
Lisa streckte ihren Kopf ins Cockpit. »Was ist los, Phil? Willst du hier auf der Straße landen? Wie bekommen wir dann unseren Notfall in die Klinik?«
»Ich setze nur Tom ab. Wir fliegen weiter nach Broken Hill. Schnall dich wieder an, ja?« Als Lisa den Mund aufmachte, um weiterzusprechen, sagte er: »Es ist keine Zeit für Diskussionen. Wir landen. Anschnallen!«
Marie zählte bis drei, schloss die Augen und sprang in die Tiefe. Sie knickte mit dem Fuß um und schrie kurz auf, denn der Schmerz traf sie heftig. Sekundenlang blieb sie am Boden sitzen und wagte nicht, sich erneut zu bewegen. Ängstlich sah sie sichum. Der Rauchfahnen zogen wie Schleier über den Hof, und sie konnte kaum ihr Fahrrad erkennen, das in etwa fünfzehn Metern Entfernung an einem Gatter lehnte. Was sollte sie nur tun?
Tom lief zügig die Straße nach Cameron Downs entlang. Schweiß lief ihm den Rücken hinunter. Seitlich vor dem Ort sah er, wie sich schwarze Qualmwolken über die Stadt legten. Er hörte den Lärm der Löschflugzeuge und der extra an den Einsatzort beorderten Hubschrauber, die vor der Stadtgrenze unaufhörlich Wassermengen herabregnen ließen, die die kleine Stadt vor dem Übergreifen des Feuers bewahren sollte. Die Bewohner der noch nicht evakuierten Randbezirke beobachteten den unaufhörlichen Pendelverkehr der Flugzeuge und Hubschrauber, der ihnen — oft während sie selbst auf den Dächern ihrer Häuser standen und diese mit dem Gartenschlauch bewässerten – das tröstliche Gefühl gab, in dieser Gefahr nicht allein zu sein.
Tom atmete schwer und war erleichtert, als er vor sich eine Feuerwehrabsperrung entdeckte – einen Wagen in etwa zwanzig Meter Entfernung und ein zweites Fahrzeug etwa fünfzig Meter weiter. Der junge Feuerwehrmann, der auf ihn zulief, war ihm unbekannt, doch ehe er viel fragen konnte, begann Tom zu sprechen, während er die Schultergurte seines Rucksacks abstreifte.
»Ich bin Arzt beim Flying Doctors Service, Tom Morrison. Es wird ein zehnjähriges Mädchen vermisst, meine Stieftochter Marie. Sie ist vermutlich heimlich zum Reitstall gefahren, um nach ihrem Pferd zu sehen.« Tom schaute von der Absperrung zu dem am Straßenrand abgestellten Auto. »Kann ich Ihren Wagen ausleihen? Ich muss dorthin und nach ihr suchen.«
Der junge Mann hob abwehrend die Hände. »Tut mir Leid, Dr. Morrison. Ich muss hier die Stellung halten und darf niemanden mehr durchlassen. Aber ich kann meine Kollegen vor Ort anfunken und fragen, ob sie die Kleine gesehen haben. Glauben Sie mir, sie kann gar nicht zum Reitstall sein. Die Straßen dorthin sind alle abgesperrt.«
Tom herrschte ihn an. »Wollen Sie schuld sein, wenn dem Mädchen etwas zustößt? Sie werden mich nicht daran hindern, nach ihr zu suchen.«
Entschlossen ging er zum Auto. Der junge Mann schaute ihm bestürzt nach. Er war nicht darauf vorbereitet, sich mit einem Arzt der Flying Doctors anzulegen oder gar handgreiflich zu werden.
Tom warf den Rucksack auf den Beifahrersitz. »Ich übernehme die volle Verantwortung. Und ich garantiere Ihnen, dass ich den Wagen zurückbringe.«
Der Zündschlüssel steckte. Ohne ein weiteres Wort ließ er den Motor an und fuhr los.
Marie saß immer noch vor dem Reitstall auf dem Boden und weinte. Mehrere Male hatte sie versucht aufzustehen, doch der starke Schmerz in ihrem Fußgelenk hatte sie daran gehindert, auch nur einen Meter vorwärts zu kommen. Verzweifelt sah sie sich um. Was hatte sie nur erwartet? Außer ihr hatten sich offenbar alle Menschen an die Evakuierungsaufforderungen gehalten. Sie fühlte die stickige Hitze und den heißen Wind, der nach Rauch roch. Zögernd hob sie den Blick, als ein Feuerwehrwagen die Abzweigung von der Straße nahm und die Zufahrt entlangrumpelte. Erleichtert wischte sie sich mit den Handrücken die Tränen vom Gesicht. Das Auto hielt so abrupt auf dem Hof, dass es knirschte. Verblüfft und gleichzeitig voller Freude sah sie, dass es Tom war, der heraussprang und auf sie zulief.
»Marie! Was ist passiert? Wir haben uns solche Sorgen gemacht!« Er kniete neben ihr und nahm sie in die Arme. Sie fing nun wieder an zu weinen. »Es tut mir so Leid. Ehrlich! Das wollte ich nicht. Ich wollte doch nur wissen, ob Chocolate in Sicherheit ist.« Sie hielt inne und wischte sich wieder die Tränen weg. »Ich war im Stall, und dann knallte die schwere Eingangstür zu. Ich konnte sie nicht mehr öffnen. Da bin ich dann dort
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