Wind der Traumzeit (German Edition)
Salzstreuer griff und diesen betrachtete, als hätte er so etwas noch nie zuvor gesehen. Max spürte, wie viel Mühe es ihn kostete, ruhig zu bleiben. Dass Nora einen so großen Schritt wagen würde, damit hatte er nun wirklich nicht gerechnet. Er versteckte seine Enttäuschung und Wut hinter einer Maske eiskalter Beherrschung. Kühl wanderte sein Blick zwischen Tom und Nora hin und her.
»Es ist dein Leben, und du kannst tun und lassen, was du willst.« Er schaute ihr gerade ins Gesicht. »Aber die Kinder«, er verbesserte sich rasch, »meine Kinder bleiben hier in Deutschland. Es ist mir ganz egal, was du dazu zu sagen hast. Niklas und Marie sind meine Kinder. Sie leben seit ihrer Geburt hier. Und ich gebe sie keinesfalls auf oder werde seelenruhig zusehen, wie du sie ans andere Ende der Welt verpflanzt, nur weil dich die Mid-life-Crisis gepackt hat.«
Das nachfolgende Schweigen am Tisch nahm beklemmende Ausmaße an. Nora wusste nichts zu erwidern. Im Grunde konnte sie Max’ Reaktion sogar verstehen. Sie hätte wahrscheinlich ähnlich reagiert. Aber wieder stand sie vor unlösbaren Problemen wegen ihrer Liebe zu Tom. Wieder einmal bewegte sie sich am Rande der Verzweiflung, weil nichts in ihrem Leben glatt lief, wenn es um diese Liebe ging. War das ein Zeichen? Sollte sie doch auf ihn verzichten und sich mit dem alltäglichen Für und Wider ihres normalen Lebens zufrieden geben? Sie schluckte heftig, als Tom ruhig nach ihrer Hand griff und sie in seine Hände legte. Diese Geste der Nähe und Vertrautheit gab Max einen Stich. Auch wenn er sich tausendmal gesagt hatte, dass der Bruch zwischen ihm und Nora endgültig sei, konnte er den Gedanken an einen neuen Mann in ihrem Leben nur schwer ertragen. Selbst die Tatsache, dass er, Max, ein überaus erfolgreicher Manager war, konnte ihn in dieser Situation nicht trösten, denn auch Tom war kein Niemand, kein Hungerleider.
Mit einer energischen Geste stellte er den Salzstreuer zurück und sah angelegentlich auf die Uhr, als hätte er noch einen weiteren Termin. Er vermied den Blick auf Noras Hand in den schlanken, gebräunten Händen von Tom und schaute auf in Noras Gesicht. In diesem Moment genoss er das Gefühl,alle ihre Zukunftspläne zerschlagen zu können, denn wenn er eines sicher wusste, dann das: Nie würde sie Niklas und Marie hier lassen und auswandern. Lässig lehnte er sich zurück, um ihr einen weiteren Schlag zu versetzen. »Ich erhielt gestern Mittag einen Anruf von Frau Bach.« Er beobachtete die Wirkung, die seine Worte auf Nora hatten.
Sie setzte sich unwillkürlich gerade auf und machte ein erstauntes Gesicht. »Ach ja? Warum hat sie denn bei dir angerufen?« »Weil sie dich nicht erreichen konnte, Nora.« Nora spürte den Vorwurf, der in seiner Stimme mitschwang, und schwieg.
Max fuhr fort. »Sie macht sich Sorgen um Marie. Marie hat sich sehr zurückgezogen. Sie lacht nicht mehr, geht ihren Freundinnen aus dem Weg und beteiligt sich kaum noch am Unterricht. Sie scheint das Interesse an der Schule verloren zu haben.« Er streifte Tom mit einem Seitenblick, bevor er sich wieder an Nora wandte. »Hast du eine Erklärung dafür?«
Eine tiefe Röte überzog Noras Gesicht. »Was soll dieser Ton, Max? Du weißt genauso gut wie ich, dass eine Trennung sich immer auf die Kinder auswirkt.«
Max lehnte sich wieder zurück. »Nun, getrennt sind wir schon seit über einem Jahr. Und die leichten Anfangsschwierigkeiten, nachdem ich ausgezogen war, hatte Marie rasch überwunden. Frau Bach spricht aber von den letzten drei Wochen.« Max beobachtete ihre Reaktion.
Tom sah eher hilflos von einem zum anderen. Es war offensichtlich, dass er keine Ahnung hatte, worum es ging. Er spürte nur Noras Unbehagen und drückte ihre Hand. Nora schwieg zunächst. In ihr tobte erneut ein Sturm unterschiedlichster Gefühle. Allen voran überschwemmte sie wie immer das Schuldbewusstsein. Aber genau darauf hatte Max es ja offensichtlich angelegt – sie in Bedrängnis zu bringen. Nach einer Weile schaute sie ihm ins Gesicht. Die Wut über seinen unterschwelligen Angriff ließ ihre Augen funkeln. Max sah, wie in dem tiefen Grün goldene Funken aufblitzten, die ihm mehr als alles andere an ihr verrieten, dass sie aufgebracht war.
Nora sprach leise, aber bestimmt. »Hör zu, Max. Egal, was du denkst, aber ich lasse mir von dir nicht jedes Mal die Schuld dafür geben, wenn im Leben unserer Kinder irgendetwas schief läuft. Du hast dein eigenes Leben, in dem die Kinder zu Besuch
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