Wind der Traumzeit (German Edition)
mitgerissen wurde. Sie hatten miterlebt, wie sehr sie sich gequält hatte, weil die Familie auseinander gebrochen war, und sie hatten bemerkt, dass Nora glaubte sie tief enttäuscht zu haben. Louisa und Hermann Waldner wollten ihre Tochter nicht mit diesem Gefühl im Herzen gehen lassen.
Louisa hielt die kleine Sophie auf dem Schoß, und als diese sichzu ihr umdrehte und sie anstrahlte, stockte ihr wieder einmal der Atem. Die Ähnlichkeit zwischen Tom und seiner Tochter war so verblüffend, dass in Noras Mutter die Erkenntnis wuchs, dass sie tatsächlich zusammengehörten. Auch Hermann Waldner war sprachlos gewesen, als er Tom zum ersten Mal mit seiner Tochter erlebt hatte. Sie schien eine weibliche Miniaturausgabe von ihm zu sein und mit dieser Ähnlichkeit auch irgendwie ein Recht auf ihren Vater einzufordern, an dem sie inzwischen mit wahrer Affenliebe hing. Noras Eltern trösteten sich über den bevorstehenden Abschied von dieser neuen kleinen Familie damit hinweg, dass sie mit Max und Nora abgesprochen hatten, immer für Niklas da zu sein. Max würde seine Wohnung aufgeben und mit seinem Sohn das Haus bewohnen, das Nora und er damals geplant hatten. Sie beide hatten vereinbart, ihren Kindern jeden Weg zum anderen Elternteil offen zu halten. Neben Nora hatte Alexander Platz genommen, neben Tom saß Sylvia, Noras Freundin, die ihr in den vergangenen eineinhalb Jahren sehr ans Herz gewachsen war. Die beiden unterschrieben als Trauzeugen die Heiratspapiere und gratulierten als Erste. Nach der Trauung ging die kleine Gesellschaft essen. Zu Noras grenzenloser Erleichterung verlief alles ruhig und harmonisch. Selbst Niklas blieb friedlich und hatte sich mit Patrick ans Ende der Tafel verkrümelt.
Am Abend ging Tom zum ersten Mal gemeinsam mit Nora in Maries Zimmer zum Gutenachtsagen. Er setzte sich zu Marie ans Bett und bat Nora ihr alles auf Deutsch zu sagen. Marie schaute ihn mit großen Augen an und hörte zu, wie Tom sie auf Englisch ansprach und ihre Mutter übersetzte.
»Marie, ich weiß, es war nicht leicht für dich, mich an der Seite deiner Mutter zu akzeptieren. Aber ich bin dir dankbar, dass dues getan hast.« Er lächelte ihr zu. »Du sollst wissen, dass ich nicht den Platz deines Vaters einnehmen will. Max bleibt dein Papa, und wann immer du willst, darfst du ihn oder deinen Bruder besuchen oder anrufen, ja?« Marie nickte. Ihre Wangen waren ganz rot geworden. »Also, ich will dir deinen Papa nicht wegnehmen, ich will einfach dein Freund sein, okay?«
Er strich ihr über den Kopf, während Marie ihn zum ersten Mal kurz umarmte und erneut nickte. Sie war froh darüber, dass diese Freundschaft jetzt möglich war, ohne dass sie sich deswegen wie eine Verräterin vorkommen musste.
Als Tom das Zimmer verlassen hatte, setzte Nora sich zu ihrer Tochter. Zärtlich drückte sie sie an sich. »Ich hab dich so lieb, Marie. Glaub mir, alles wird gut. Schlaf jetzt schön, ja?«
»Ich hab dich auch lieb, Mama.«
Nora schloss die Zimmertür hinter sich und traf auf Tom, der auf sie gewartet hatte. Er deutete auf die Tür zu Niklas’ Zimmer und flüsterte: »Das wird schwieriger. Übersetzt du noch einmal?«
Nora nickte.
Tom klopfte leise an. Niklas saß noch am PC und fragte seine E-Mails ab. Überrascht drehte er sich auf seinem Stuhl um, als Tom hereinkam. Dieser war noch nie in seinem Zimmer gewesen. Unsicher hörte er den englischen Worten zu, die seine Mutter sicherheitshalber für ihn übersetzte.
»Niklas, keine Sorge, ich gehe gleich wieder. Ich möchte dir nur sagen, dass ich akzeptiere, wie du dich entschieden hast. Ich hatte auch tatsächlich nie vor, deinen Vater zu ersetzen oder auszubooten. Max bleibt dein Vater, auch wenn deine Mutter jetzt mit mir verheiratet ist. Ich will nur, dass du weißt, dass du immer bei uns in Cameron Downs willkommen bist. Jederzeitkannst du uns beziehungsweise deine Mutter und deine Schwestern besuchen, okay?« Als Niklas ein wenig betreten nickte, streckte Tom die Hand aus. »Abgemacht?« Niklas ergriff die Hand und murmelte: »Okay.«
Als Nora später in Toms Arm lag, konnte sie nicht einschlafen. Die Ereignisse der letzten Wochen schienen nun endlich ihren Höhepunkt in der Tatsache gefunden zu haben, dass sie nicht nur von Max geschieden, sondern bereits mit Tom verheiratet war. Bei diesem Gedanken lächelte sie in die Dunkelheit. Jedem, der ihr dies ein Vierteljahr zuvor prophezeit hätte, hätte sie einen Vogel gezeigt. Sie kuschelte sich an Tom.
»Kannst du
Weitere Kostenlose Bücher