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Wind der Traumzeit (German Edition)

Wind der Traumzeit (German Edition)

Titel: Wind der Traumzeit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christin Busch
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Art Duldung. Kannst du das verstehen?«
    Tom schob den Kerzenhalter, der mitten auf dem Tisch stand, zur Seite. »Natürlich kann ich das verstehen. Aber glaubst du, im umgekehrten Fall wäre alles viel einfacher?« Nora sah ihn entrüstet an. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass hier mit Einwanderungswilligen aus EU-Staaten oder aus Amerika oder Australien ein solcher Zinnober veranstaltet wird, wie es dein Land mit uns tut.«
    »Nimm das doch nicht alles so schrecklich persönlich, Nora. Es gibt diese Bestimmungen nun mal, und ich hab sie mir nicht ausgedacht. Wir ziehen das schon durch. Wir können zusammenbleiben, Nora. Du und ich, mit Marie und Sophie, wir werden eine richtige Familie sein – in Australien. Das ist mehr, als ich je zu hoffen gewagt habe.«
    Nora nickte stumm. Er machte ihr schwer zu schaffen, Niklas zurücklassen zu müssen. Wahrscheinlich hielt sie sich deshalb mit allen möglichen Bedenken auf. Sie konnte sich aber auchnicht einfach über seinen eigenen Wunsch hinwegsetzen, da hatte Max zweifellos Recht. Und mittlerweile war das Sorgerecht ohnehin endgültig festgelegt … Nora riss sich zusammen und schaute Tom ins Gesicht.
    »Du hast ja Recht. Es geht bloß alles so wahnsinnig schnell. Es ist nur eine Entscheidung, die ich treffe, und nichts wird mehr so sein, wie bisher.« Sie lächelte. »Aber ganz bestimmt bin ich glücklich, dass wir zusammenbleiben können.«

15
    C atherine Morrison stand auf ihrer Terrasse und hatte die reich blühende blutrote Bougainvillea gegossen, die an einer seitlichen Mauer emporrankte. Sie richtete sich auf, um mit der Gießkanne zu einem Kübel auf der gegenüberliegenden Seite zu gehen, in dem ein rosaroter Oleanderbusch nach Wasser verlangte. Als sie auch seinen Durst gestillt hatte, stellte sie die Kanne ab und lehnte sich gegen die Verandabrüstung, um auf den Indischen Ozean zu sehen. Das tat sie jeden Morgen, sie liebte dieses Ritual zu Beginn eines neuen Tages. Und Rituale brauchte sie in ihrem Leben. Jetzt mehr denn je.
    Ihre dunklen Augen wanderten langsam über den Horizont, während eine leichte Brise ihr dunkles, von grauen Strähnen durchzogenes Haar durcheinander wirbelte. Im nächsten Jahr würde sie ihren fünfundsechzigsten Geburtstag feiern. Unwillkürlich runzelte sie die Stirn. Es stimmte sie traurig, dass es wieder eine Feier geben würde, an der ihr Mann Jonathan nicht mehr teilnahm. Ein tiefer Schmerz erfüllte sie. Es erschien ihr nicht gerecht, dass sie überhaupt nicht dazu gekommen waren, die Früchte ihres Lebens, den gemeinsamen Lebensabend, zu genießen. Wie oft hatten sie davon geträumt, noch die eine oder andere schöne Reise zu machen, endlich von finanziellen Sorgen frei zu sein. Aber es war alles anders gekommen.
    Ein schwerer Schlaganfall hatte ihren John vor drei Jahren getroffen wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Traurigkeit ergriff sie bei der Erinnerung daran, wie sie tagelang an seinem Bett gesessen hatte und er doch nur kurz wieder zu Bewusstsein gekommen war. Die Erinnerung an sein seltsam verzerrtes Gesicht ließsie schaudern. Tom und Caroline waren angereist, um ihr beizustehen. Trotzdem hatte sie – entgegen ihrer gefassten Haltung – nichts und niemand trösten können.
    Sie liebte ihre beiden Kinder, aber ihr war schon damals klar gewesen, dass sie ihr eigenes Leben lebten – leben mussten. Sie konnte sich nur einfach nicht vorstellen, wie ihr Leben ohne John weitergehen sollte. Sie waren beinahe vierzig Jahre verheiratet gewesen, hatten zwei wunderbare Kinder großgezogen und schließlich jahrelang gemeinsam seine Arztpraxis geführt. Sie hatte die Buchhaltung und die Abrechnungen übernommen, er die Patienten versorgt. Und plötzlich war alles vorbei gewesen. Später dann hatte sie die Vorschläge von Tom und Caroline abgelehnt, nach Cameron Downs beziehungsweise Darwin zu ziehen. Sie wollte vermeiden, sich hilflos an ihren Sohn oder ihre Tochter zu klammern, ja, womöglich eine Last für sie zu werden. Sie wusste, sie musste sich selbst aus diesem Tiefpunkt befreien.
    Schließlich hatte sie sich aufgerafft, die Praxis und das Haus in Perth verkauft, in dem sie jeder Winkel an John erinnert hatte. Mit dem Geld hatte sie sich eine schöne großzügige Wohnung etwas außerhalb der Stadt zugelegt, die ihr mit ihrem Blick auf den Indischen Ozean das Gefühl der Freiheit vermittelte und sie wieder atmen ließ. Inzwischen hatte sie sich in diesem neuen Leben zurechtgefunden, und doch kehrte in regelmäßigen

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