Wind der Traumzeit (German Edition)
Nora nur einmal zuvor hier gewesen war, kam ihr alles seltsam vertraut vor. Vielleicht lag es daran, dass ihr die Harpers von Anfang an sympathisch gewesen waren, oder daran, dass sie ihr bei Nacht und Nebel nach dem schweren Autounfall zu Hilfe gekommen waren.
Matt und Laura ließen sie allein, und Nora stand vor der Terrassentür und sah nach draußen. Es gab sie immer noch, die kleine Gästeterrasse und den hübschen Springbrunnen. Wie gastfreundlich musste man sein, wenn man sich solche Mühe gab, dass Besuch sich bei einem wohl fühlte? Ihre Augen wanderten über die sorgfältig bepflanzten Beete, deren Stauden und Büsche die Terrasse einfassten. Tom war hinter sie getreten und schlang beide Arme um sie. An ihrem Ohr flüsterte er: »Weißt du noch, wie es damals war? Du musst jetzt sagen: Tja, ich schätze, es wird Zeit, schlafen zu gehen.«
Sie wandte sich um und sah den Schalk in seinen Augen blitzen. »Du bist unmöglich! Du hast mich damals schließlich festgehalten und daran gehindert, einfach schlafen zu gehen.«
Er beugte sich zu ihr hinunter. »Gut, dass ich es getan habe.« Seine Lippen strichen sanft über ihr Gesicht, während seine Hände ihre Schultern streichelten.
Sie entwand sich seinen Zärtlichkeiten. »Ich gehe jetzt duschen. Und dann erwarten uns Matt und Laura.«
Er zog sie wieder an sich und küsste sie fordernd. Danach sah er sie grinsend an. »Wusstest du, dass Ehepaare im Outback immer gemeinsam duschen? Man muss hier nämlich Wasser sparen.«
Tom und Nora verbrachten einen schönen Tag bei Matt und Laura Harper. Nora unterhielt sich dieses Mal auch angeregt mit Matt und erfuhr viel über die Grundlagen der Schafzucht. Staunend registrierte sie die planmäßig durchdachten Arbeitsabläufe auf der Farm. Jeder hier – vom Verwalter bis zum Saisonarbeiter — schien genau zu wissen, was er wann und wo zu tun hatte. Die Größe der vielen Nebengebäude beeindruckte Nora. Haupthaus, Mannschaftsunterkünfte mit eigenem Küchenhaus, Stallgebäude, Scher- und Lagerschuppen, Hundezwinger, Schafkoppeln … Es machte fast den Eindruck einer eigenen kleinen Siedlung. Nora genoss es, einmal wieder etwas von dem Land zu sehen, das sie so begeistert hatte.
Als sie sich am darauf folgenden Tag mit Tom auf den Heimweg machen musste, wusste sie, dass sie hierher zurückkommen würde. Matt und Laura hatten sie aufgefordert, doch einmal die Mädchen mitzubringen, und Nora war sich sicher, dass Marie und Sophie begeistert wären.
37
N ach ihrer Rückkehr aus Perth war Caroline ruhiger. Auch ihre Mutter war betroffen wegen der Entwicklung der Dinge gewesen und hatte sich Sorgen gemacht. Caroline hatte sich nach den Gesprächen mit ihr und Tom entschieden, tatsächlich einen Neuanfang in Cameron Downs zu wagen. Ihr war klar geworden, dass sie nie wieder Angst vor ihrem Mann haben wollte und dass sie hier die besten Chancen auf eine gut gehende Praxis hatte. Ehe sie Sam wieder sehen würde, wollte sie jedoch alles geordnet wissen. Sie meldete Josh in der neuen Schule an und fand ein kleines Haus am anderen Ende der Stadt, das sie anmietete.
Josh war zunächst erstaunt gewesen, sah inzwischen aber alles wie ein vorübergehendes Abenteuer. Er bewunderte seine ein Jahr ältere neue Cousine Marie und spielte öfter so hingebungsvoll mit der kleinen Sophie, dass Caroline sich fragte, ob es die richtige Entscheidung gewesen war, sich schon vor Jahren gegen ein weiteres Kind ausgesprochen zu haben. Doch diese Frage stellte sich jetzt nicht mehr. Sie hatte sich für einen Neuanfang ohne Sam entschieden und sich schließlich bei einem Anwalt Rat geholt und die Scheidung eingereicht. Dennoch wollte sie verhindern, dass Sam dies erst durch den Brief erfuhr. Sie nahm ihren ganzen Mut zusammen und rief am Abend bei ihm an. Nervös wartete sie darauf, dass er sich meldete, doch niemand hob ab. Ratlos, aber auch ein wenig beunruhigt legte sie wieder auf. Unter seiner Handy-Nummer erreichte man ihn normalerweise immer. Wieder fragte sie sich, was er wohl gerade tat und wo er steckte.
Gleich nach ihrer Rückkehr aus der Siedlung erhielt Nora eine Nachricht von Max und Niklas, die einen festen Anreisetermin für ihren Besuch innerhalb der deutschen Osterferien nannten. Alles schien auf einmal hell und freundlich, und Nora umarmte mit dem Brief in der Hand übermütig Tom und tanzte mit ihm durchs Zimmer.
Catherine Morrison knetete mit unbehaglichem Gefühl ihre Hände im Schoß und sah zu, wie ihr Schwiegersohn
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