Wind der Traumzeit (German Edition)
ein Stück Kuchen verzehrte. Nach allem, was Caroline erzählt hatte, war sie zunächst erschrocken gewesen, ihn auf den Treppenstufen vor ihrer Wohnung sitzend vorzufinden, als sie vom Einkaufen heimkehrte. Trotzdem war er immer noch ihr Schwiegersohn, und sie sah keinen Grund, in Panik zu verfallen. Also hatte sie ihn hereingebeten.
»Du kannst dir sicher denken, warum ich hier bin, oder?«
Catherine nickte zögernd. »Caroline hat mir erzählt, dass ihr Schwierigkeiten habt.«
»Ich will mit ihr sprechen.«
»Das solltest du auch tun, denn das ist eine Sache zwischen euch beiden.«
Sein Blick schweifte durch die Wohnung. »Also, wo ist sie? Und wo steckt Josh?«
Catherine beugte sich erstaunt vor. »Aber sie sind nicht hier, Sam.«
Er musterte sie kühl. »Dieses Theater kannst du dir sparen. Sie müssen hier in Perth bei dir sein.«
Sie stand auf, ging zur nächstbesten Tür und stieß sie auf. »Bitte, sieh selbst nach. Sie sind nicht hier.« Sie überlegte einen Moment, ehe sie hinzufügte: »Sie waren hier, sind jetzt aber in Cameron Downs bei Tom und Nora.«
Er lachte trocken auf. »Da komme ich gerade her, was sagst du nun? Dort ist niemand.« Er fühlte sich ausgeschlossen und wurde laut. »Wollt ihr mich veralbern? Josh ist auch mein Sohn. Ich habe ein Recht darauf zu wissen, wo er ist.«
Catherine ging in den Flur und öffnete alle weiteren Türen. Dann sah sie ihn ruhig an. »Auch wenn du noch so böse wirst, Sam, sie sind nicht mehr hier. Es ist so, wie ich gesagt habe. Sie haben mich übers Wochenende besucht und sind jetzt wieder in Cameron Downs.«
Sekundenlang starrten sie einander an, dann nahm Sam seine Jacke und ging zur Tür. »Danke für deine Hilfe!« Er verließ die Wohnung und stieg auf der Straße in den Wagen, den er voller Optimismus am Flughafen gemietet hatte. Er spürte unbändige Wut und Enttäuschung in sich. Dennoch wollte er nur noch fort von hier. Er würde sich nicht auch noch hier auf die Lauer legen, um abzuwarten, ob die beiden auftauchten. Doch wo sollte er nun hin? Etwa wieder zurück nach Cameron Downs? Instinktiv hatte er gespürt, dass Catherine die Wahrheit sagte, doch wie sehr sollte er sich noch zum Affen machen? Er legte die Unterarme aufs Steuer und stützte den Kopf darauf. Er wusste nicht, wie lange er so gesessen hatte, als sein Handy klingelte. Mechanisch meldete er sich. »Sam Winton.« »Sam? Ich bin’s.«
Er setzte sich unwillkürlich auf. »Caroline. Ich bin in Perth. Ich wollte euch sehen.«
»Ich weiß, Mum hat mich gerade angerufen.« Sie wartete einen Moment, ehe sie ihren Mut zusammennahm und weitersprach.
»Es tut mir Leid, dass wir uns verpasst haben.« Fast schämte sie sich für diese Lüge, aber sie fühlte sich tatsächlich besser ohne ihn. Jetzt wurde es Zeit für die Wahrheit. »Ich weiß, es ist blöd, so etwas am Telefon zu sagen, aber … ich habe nachgedacht, und ich glaube, es ist besser, wenn wir uns trennen.« Die Stille in der Leitung kam ihr unheimlich vor. Sam starrte auf die Straße vor sich, ohne irgendetwas wahrzunehmen. »Du musst doch auch gespürt haben, wie schlecht es um unsere Ehe bestellt ist … Schau, wir haben uns auseinander gelebt, wir können ja nicht mal mehr reden, ohne zu streiten. Josh leidet darunter. Ich denke, es ist das Beste, wenn wir beide noch mal von vorne anfangen.«
Ihr war unbehaglich zumute, als er immer noch nicht reagierte, aber sie wollte auch nicht mehr diskutieren. »Ich habe die Scheidung eingereicht.«
Er war unfähig, irgendetwas dazu zu sagen. Da war nicht einmal mehr Wut in ihm, eigentlich nur Fassungslosigkeit. Er beendete das Gespräch ohne ein einziges Wort und ließ das Handy in seiner Jackentasche verschwinden. Ein paar Minuten starrte er noch vor sich hin, dann machte er den Motor an und fuhr los.
Caroline hielt den Hörer noch eine Weile in der Hand und grübelte. Was würde er tun? Sie hatte plötzlich Angst. Würde er hier auftauchen? Konnte er ihr Josh wegnehmen?
Als sie lautes Kindergeschrei vernahm, zuckte sie zusammen und ging zum Fenster. Draußen spielte Josh mit Sophie und stupste immer wieder einen Luftballon in die Höhe, ehe ihre ausgestreckten Hände ihn erreichen konnten. Versonnen schaute Caroline ihnen eine Weile zu, während sie sich langsamentspannte. Sie sah Gespenster. Sam hatte sich nie sehr viel mit Josh beschäftigt, er musste sich nun mit den Tatsachen abfinden. Was konnte er hier schon tun?
Sie ahnte nicht, wie sehr sie sich irrte.
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