Wind der Traumzeit (German Edition)
kümmere mich um Sophie.«
Widerstrebend verließ Nora ihr krankes Kind und ging ins Nebenzimmer. Sie hob Steven aus der Wiege und redete leise murmelnd auf ihn ein. Mit ihm auf dem Arm stieg sie die Treppe hinunter, um in der Küche sein vorbereitetes Fläschchen aufzuwärmen. Seufzend dachte sie daran, wie praktisch das Stillen in dieser Hinsicht gewesen war, aber Stevens anhaltende Schreiphasen, die kleine quirlige Sophie, das Schulkind Marie und grenzenloser Schlafmangel hatten allesamt dazu beigetragen, dass Nora ihrenSohn nur knapp drei Monate hatte stillen können. Während sie auf das Fläschchen wartete, ging sie mit Steven umher und summte leise ein deutsches Wiegenlied, das sie schon vor dreizehn Jahren für Niklas gesungen hatte. Sie schluckte, als sie daran dachte, und küsste das Baby zart auf den Kopf. Nachdem sie die Temperatur der Flasche überprüft hatte, schaltete sie den Flaschenwärmer aus und nahm die Milchflasche mit nach oben. In Sophies Zimmertür blieb sie kurz stehen und schaute Tom fragend an, der die Kleine immer noch untersuchte. Beunruhigt runzelte Nora die Stirn. »Was ist denn mit ihr, Tom?«
Er sah sie an, und innerhalb von Sekundenbruchteilen wusste Nora, dass es tatsächlich nicht nur eine fieberhafte Erkältung war, die ihre Tochter gepackt hatte. Tom schien nach den richtigen Worten zu suchen, doch ehe er auch nur das erste herausbrachte, spürte Nora, dass er sie beschwichtigen wollte. Sie wurde ärgerlich und trat von einem Fuß auf den anderen. »Sagst du es mir heute noch, oder soll ich Bill anrufen?« Zögernd richtete Tom sich auf und sortierte Untersuchungszubehör in seinen Arztkoffer. Er wich ihrem Blick aus. »Nora, ich fahre mit Sophie in die Klinik.«
Noras Herz schlug schneller. In ihren Augen stand Angst. »Wirklich? Jetzt gleich?«
Tom nickte und wickelte Sophie locker in eine Decke ein. Sie schlief etwas ruhiger, aber ihre Wangen glühten.
Nora ging zu ihr und strich ihr vorsichtig über den Kopf. »Ich will mit! Du fährst nicht ohne mich, hörst du?«
Steven begann zu quengeln. Er war hungrig. Ständig hatte er sein Fläschchen vor Augen und bekam doch nichts. Nora reagierte nicht. Ihr Blick war fest auf Tom gerichtet. »Was hat sie? Ist es ein Buschfieber?«
Tom schüttelte den Kopf. »Nein, ich denke, es ist der Blinddarm.«
Nora musterte ihn sekundenlang sprachlos, dann drückte sie ihm Steven in den Arm, nahm Sophie vorsichtig auf und setzte sich mit ihr in den Sessel, der im Zimmer stand, als könnte sie die Kleine dort vor dem Kommenden beschützen. Sacht drückte sie sie an sich, betrachtete die langen Wimpern und die dunklen Locken, die sich vom Schwitzen durch das Fieber noch stärker als sonst kringelten.
Tom ließ sich auf der Tischkante nieder und begann Steven die Flasche zu geben. In der Stille war minutenlang nur das angestrengte Saugen des Babys zu vernehmen.
Als Noras Blick sich vom Gesicht ihrer Tochter löste, bemerkte sie, dass Tom sie abwartend ansah. Verzweifelt schüttelte sie den Kopf. »Sie ist doch erst zweieinhalb! Sie ist noch so klein. Ihr könnt sie nicht einfach aufschneiden, Tom!«
Er wich ihrem Blick aus und sah zu, wie Stephen trank. Dann schaute er sie ruhig an. »Es sehnt sich bestimmt niemand danach, sie aufzuschneiden. Aber wenn der Blinddarm platzt, stirbt sie, Nora.« Er biss sich kurz auf die Unterlippe, ehe er fortfuhr. »Es ist zwar eine Routineoperation, aber glaub nicht, dass mich das Ganze kalt lässt. Sophie ist meine Tochter, und ich würde ihr das mehr als gerne ersparen.«
Nora fuhr sich über die Augen und versuchte nicht in Panik zu geraten. »Wirst du sie operieren?«
Tom schüttelte den Kopf. »Das darf ich nicht, und ich weiß auch nicht, ob ich es überhaupt könnte … bei meinem eigenen Kind. Aber ich habe grenzenloses Vertrauen zu Bill und Jason. Und auch unsere neue Ärztin, Susan Clark, arbeitet hervorragend.«
Nora sank in sich zusammen und blickte wieder auf Sophie. »Aber muss ein so kleines Kind nicht von einem Kinderarzt operiert werden?«
Tom stellte das leere Fläschchen ab und lehnte seinen Sohn zum Aufstoßen an seine Schulter. »Nein. Eine solche Operation macht immer ein Chirurg. Aber wenn es dich beruhigt, Susan hat eine Ausbildung als Kinderfachärztin. Ich bin sicher, sie lässt es sich nicht nehmen, bei der OP dabei zu sein.« Steven rülpste laut und vernehmlich, um anschließend zufrieden und müde zu blinzeln. Tom lächelte unwillkürlich, während er ihn beobachtete.
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