Wind Der Zeiten
zu sehen. Ich überlegte – womöglich war ihm nicht entgangen, dass ich den Streit im Salon mitgehört hatte. Die Vermutung lag nahe, denn woher sonst sollte er wissen, dass ich in den Garten gegangen war? Verlegen gestand ich: »Du hast Recht. Es tut mir leid, aber ich konnte einfach nicht widerstehen.«
»Widerstehen?« Verwirrt sah Alan mich an. »Wovon genau sprichst du?«
Himmel, ich spürte, wie mir die Röte ins Gesicht schoss, als ich stockend gestand, an der Salontür gelauscht zu haben. Und als ich den Streit rekapitulierte, ging mir endlich ein Licht auf. »Du denkst, ich bin schwanger!«
»Bist du es?«
»Gott sei Dank nicht! Ich meine … O Alan, sieh mich nicht so an. Es wäre wunderbar, eines Tages ein gemeinsames Kind großzuziehen. Aber du musst zugeben, der Zeitpunkt für eine Schwangerschaft wäre denkbar schlecht.«
Erleichtert schloss er mich in die Arme, begann an meinem Ohr zu knabbern und flüsterte: »Was hältst du davon, wenn wir gleich ein wenig daran arbeiten?«
»Doch nicht hier!« Ich versuchte mich aus seiner Umarmung zu lösen, dabei gelang es mir allerdings nicht vollständig, ernst zu bleiben.
»Ist das wirklich wahr, du möchtest ein Kind von mir?«
»Ich könnte mir nichts Schöneres vorstellen.« Kaum hatte ich es ausgesprochen, wurde mir klar, dass es mein voller Ernst war. Ich hatte beobachtet, wie herzlich Alan mit Kindern umging, wie entspannt. Bestimmt würde er ein wunderbarer Vater sein. Aber ich war nicht schwanger, und wäre ich es gewesen, so konnte niemand außer mir davon wissen.
Was also hatte Anabelle zu ihrer verletzenden Äußerung veranlasst? »Der Campbell-Ghillie! Er hat uns belauscht, als wir in der Bibliothek über Mòrag gesprochen haben.«
Nachdenklich sah Alan mich an. »Da kann etwas dran sein, Duncan hat mir berichtet, dass der Kerl überall herumlungert und neugierige Fragen stellt. Sehr wahrscheinlich ist er einer von Argyles Spionen.«
»Was willst du unternehmen?«
»Nichts. Solange er glaubt, dass ich Mary heirate, haben wir nichts von ihm zu befürchten.«
»Und du wirst sie heiraten.« Bevor ich diese Worte aussprach, hatte ich keine Ahnung gehabt, wie schmerzhaft das sein würde.
»Joanna, Kleines. Wir haben doch schon darüber gesprochen, ich muss es tun. Mein Vater hat sein Wort gegeben, und das ist auch für mich bindend. Ich bin für das Wohl meines Clans verantwortlich. Täte ich nicht alles, um sie zu schützen, wäre ich es nicht wert, ihr Chief zu sein.«
»Ich weiß.«
Zärtlich griff er nach meiner Hand. »Du bist das Beste, was mir in meinem Leben passiert ist. Ohne dich wüsste ich nicht, wie ich all diese Dinge ertragen sollte.«
»Du bist nicht allein, Alan, du hast wunderbare Freunde:
Duncan, Mòrag, James und Angus stehen loyal zu dir, und Lachlan tut das auch.«
Bei der Erwähnung des Bruders verfinsterte sich sein Gesicht. »Das erinnert mich an die Angelegenheit mit dem getöteten Mackenzie. Wir sind ziemlich sicher, dass Lachlans nutzlose Bande beteiligt war. Auch wenn er selbst nichts damit zu tun hat, trägt er die Verantwortung für das Verhalten seiner Leute.«
»Traust du ihm etwa eine so abscheuliche Tat zu?«
Alan starrte in die Ferne, und zum ersten Mal fielen mir die feinen Fältchen auf, die seine Augen heute besonders müde erscheinen ließen. »Nein. Lachlan hat nichts damit zu tun, aber Ruadh Brolan ist seit ein paar Tagen verschwunden.«
»Ist das der rothaarige Kerl, dem du während der Gerichtsverhandlung eine geklebt hast?«
Unvermittelt lachte er auf. »Genau der! Deine Wortwahl ist wirklich unvergleichlich.«
Ich wollte etwas entgegnen, doch da hörte ich, wie sich eilige Schritte auf dem Kiesweg näherten.
Ein Ghillie kam eilig herbeigelaufen und rief atemlos: »Gleanngrianach!«
»Was ist passiert?«
»Mackenzies aus Cladaich haben Lachlan herausgefordert.«
»Wo?«
»In der Tower Hall.«
Alan stieß eine Reihe gälischer Worte aus, die ich zwar nicht verstand, deren Sinn sich aber jedem erschlossen hätte. Er spurtete los und rief über die Schulter: »Du bringst Lady Joanna ins Haus. Dann ruf unsere Männer zusammen.«
»Aye!«
Wenn Alan glaubte, mich so einfach abschieben zu können,
dann hatte er sich geirrt. Ich ignorierte die ausgestreckte Hand des jungen Highlanders, der nervös von einem Bein auf das andere trat, und rannte los. Doch nach ein paar Schritten hatte er mich eingeholt. Dieser verdammte Fuß!
»Lady Joanna, bitte. Ihr könnt dort nicht hin!«
»Warum
Weitere Kostenlose Bücher