Wind Der Zeiten
fortgelaufen, als uns zu schützen. Ein Wunder, dass er es überhaupt bis hierher geschafft hat. Nun, vielleicht erweist er sich ja hier als nützlicher«, fügte sie mit
einem feinen Lächeln hinzu. »Dein Oheim hätte unsere Begleiter aussuchen müssen. Aber mit solchen Dingen befasst sich ja der viel beschäftigte Herzog nicht. Ohne die MacCoinnaich-Männer hätten die Wilden uns vermutlich in irgendeinem Tal massakriert.«
»Oder die englischen Rotröcke«, warf Mary ein.
»Möglich. Warum General Wade solch unzivilisierte Männer zum Straßenbau heranzieht, ist mir unbegreiflich. Sehr weit ist sie auch noch nicht vorangekommen, die glorreiche Armee der Engländer.« Sie schnaufte abfällig. »Und wir sitzen hier fest. Ich schwöre dir, noch nie war ich in einer unwirtlicheren Gegend.« Sie wies zum Fenster. »Sieh doch nur, überall diese schrecklichen Berge.«
»Anabelle, sei bitte nicht so trübsinnig. Immerhin hat es heute noch nicht ein einziges Mal geregnet«, lachte Mary.
»Und das soll mich aufheitern? Ein Frühling in Paris, das wäre etwas. Die Kleider, die Feste …«
»Der Gestank! Zugegeben, in Paris und London hat das Einkaufen viel Spaß gemacht, aber der Gestank war scheußlich. Merkst du nicht, wie klar die Luft hier ist?«
»Papperlapapp. Es ist kalt und unwirtlich.« Anabelle trippelte zum Kamin und rieb demonstrativ ihre Hände aneinander. »Und was hältst du von dem anderen Bruder, diesem Lachlan?«
»Er ist sehr galant.« Mary lächelte.
»Und er sieht gut aus. Man sagt, er sei das Ebenbild seines Vaters. Was man von dem Chief nicht behaupten kann. Er soll ein Wechselbalg, ein Kind der Feen sein, erzählt man sich im Dienstbotenquartier. Manche behaupten, der Teufel persönlich habe ihn gezeugt. Wenn du mich fragst, das würde mich bei keinem dieser Wilden hier überraschen.«
Jetzt lachte Mary laut auf. »Du bist unmöglich. Wie hast du in der kurzen Zeit all diesen Tratsch erfahren können?«
Das fragte ich mich ebenfalls, aber es gab keinen Grund für mich noch länger hierzubleiben, nachdem ich das Geschirr bereits mehrfach auf dem Tablett hin und her geschoben, gestapelt und wieder umgeräumt hatte, um dem Gespräch so lange wie möglich lauschen zu können. Also machte ich mich schwer beladen auf den Weg hinaus. Natürlich half mir niemand, und ich musste das Tablett in einer Hand balancieren, um die Tür öffnen zu können.
Dienstboten haben es nicht leicht. Ich nahm mir vor, zukünftig freundlicher zu Mòrag zu sein. Du liebe Güte, jetzt fange ich schon selbst an, das alles für Realität zu halten. Es war höchste Zeit, dass ich aus diesem Haus verschwand.
Doch erst einmal war meine Flucht hier zu Ende, denn draußen lief ich direkt Mòrag und einem Highlander in die Arme. Verdammt.
Der junge Mann schien sich in seiner Haut nicht wohlzufühlen und schaute sich unsicher um. Mòrag nahm mir das schwere Tablett ab. »Mylady, bitte, der Chief hat verboten, dass Ihr das Zimmer verlasst.«
Er machte einen Schritt nach vorn und versuchte, mich am Arm zu greifen. Schon wollte ich protestieren, da blickte ich zufällig in Mòrags Gesicht. Sie hatte vor Aufregung ganz rote Wangen und sah sich immer wieder um. Vielleicht fürchtete sie ja, ihren Arbeitsplatz zu verlieren.
»Der Chief …«
Der furchtsame Blick des Jungen am Torhaus fiel mir wieder ein. Das war nicht gespielt. Glaubten dieses Leute etwa tatsächlich, dass Alan der Sohn des Teufels war, wie diese Anabelle behauptet hatte? »Schon gut, Mòrag. Ich komme mit.«
Sie lächelte dankbar, und der Highlander begleitete uns wortlos zum Zimmer zurück. Er schien ebenfalls erleichtert zu sein und ließ sich sogar dazu hinreißen, die Tür für mich aufzuhalten, bevor er sie allerdings gleich darauf wieder sorgfältig hinter mir verschloss. Frustriert ging ich zum Fenster, öffnete es und lehnte mich weit über das breite Fensterbrett. Ein Blick nach unten bestätigte meine Vermutung, dass es auch hier keine Möglichkeit gab zu entkommen, es sei denn, ich knotete die Betttücher zusammen, und kletterte daran in die Tiefe. Eine ziemlich dramatische Maßnahme, die ich später immer noch ergreifen konnte. Die Vorstellung, mit wehenden Röcken an einem mürben Stück Stoff über dem Boden zu baumeln, hatte wenig Verlockendes.
Der Rest der Aussicht war spektakulär. Loch Cuilinn , der See dort unten im Tal, lag ruhig in der Abendsonne, deren letzte Strahlen bis weit in mein Zimmer hineinfielen. Der Wald, in dem irgendwo am
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