Wind Der Zeiten
meisten Frauen in den Highlands zwar Stoffe für Plaids woben und dabei oft von Generation zu Generation weitergegebene Muster und Farben verwendeten, ihre eigene Kleidung und Hemden aber selten selbst schneiderten.
William MacDonnell trieb sich häufig in Cladaich herum, wohl auch wegen eines Mädchens. Aber er war ein Raufbold und deshalb schon häufiger mit den Mackenzies aneinandergeraten, die ihrerseits wenig für den MacDonnell-Spross übrighatten. Im letzten Jahr hatten die Murrays ihn dann bei dem Versuch erwischt, einige ihrer Rinder auf dem Weg zum Markt in Crieff zu stehlen. Es kam zu einer gewaltsamen Auseinandersetzung, bei der William den jüngeren Sohn eines einflussreichen Verwandten des Duke of Atholl schwer verletzt hatte. Die wütenden Clansmänner wollten ihn erst am nächsten Baum aufhängen, nahmen ihn aber dann doch nur fest. Es hieß, Alan habe dem Vater eine ungeheure Summe als Wiedergutmachung
zahlen müssen. Nur mit Rücksicht auf die Schneiderin, die auf die Hilfe ihres Sohns angewiesen sei, wie sie beteuerte, hatte er William nicht des Tals verwiesen.
»Hätte das nicht Lachlan zahlen müssen, er hat ihn schließlich angestiftet?«, fragte ich verwundert.
Sie schnaufte nur: »Der hat gesagt, er hätte nichts von Williams Plänen gewusst und die Murrays sollten mit ihm tun, was sie wollten. Natürlich hätte der Gleanngrianach niemals zugelassen, dass ein Murray einen MacCoinnaich aufhängt.« Ich meinte, so etwas wie Bewunderung aus Mòrags Stimme herauszuhören, und wollte ihr darin zustimmen, da fuhr sie fort: »Seine Leute würde er selbst am nächsten Baum aufknüpfen, wenn es notwendig wäre, soll er gesagt haben.«
Offenbar hatte ich mich getäuscht.
Mit dem Bündel unterm Arm und der warmen Nachmittagssonne, die direkt auf meinen Rücken brannte, wurde mir bei unserem Aufstieg ziemlich heiß, und ich hatte Mühe, mit Mòrags federnden Schritten mitzuhalten. So viel zu meiner durch tägliches Joggen antrainierten Fitness, dachte ich, während ich mich nach einem guten Schluck Wasser sehnte. Glücklicherweise schien meine Begleiterin ebenfalls durstig zu sein. Wir machten an einem kleinen Bach halt, und Mòrag spülte die Krüge aus, die sie vom Besuch bei der alten Seherin mit zurückgenommen hatte. Einen davon füllte sie und reichte ihn zu mir herüber.
Misstrauisch schnüffelte ich daran. »Das Wasser sieht so merkwürdig aus. Ist es auch in Ordnung?«
»Es kommt direkt aus dem Hochmoor«, beruhigte sie mich. »Deshalb hat es diese braune Farbe. Du hast gestern schon davon getrunken.«
Vorsichtig probierte ich. Tatsächlich war das Wasser köstlich,
und ich leerte den Krug in einem Zug aus. Mòrag trank ebenfalls, und so gestärkt erreichten wir recht schnell das Herrenhaus.
Im Hof erwartete uns schon Dolina: »Beeilt euch, Mädchen. Bringt die Stoffe hinein, ich sehe sie mir später an.« Ungeachtet dieser Worte zog sie das Spenzerjäckchen aus dem Bündel und hielt es unter mein Kinn. »Die Ladys haben einen Spaziergang im Garten gemacht und wollen jetzt baden. « Sie rollte mit den Augen ob solcher Begeisterung für die Körperpflege. »Und unsere Männer sind natürlich wie üblich nirgendwo zu sehen. Hey, du!«, rief sie einen Jungen an, der nicht rechtzeitig seinen Kopf hinter der Stalltür verbergen konnte. »Komm her und hilf beim Wassertragen, oder ich ziehe dir die Löffel lang.«
Widerwillig gehorchte er, und ich erkannte den Stallburschen wieder, der bei meiner Ankunft Brandubh in Empfang genommen hatte.
»Das Plaid des Chieftains stand dir besser, Irin«, bemerkte er frech und fing sich damit eine schallende Ohrfeige von Dolina ein.
»So redet man nicht mit einer Dame«, schimpfte sie und scheuchte den Jungen in die Küche, von wo gerade zwei junge Frauen mit dampfenden Wassereimern in Richtung Haupthaus eilten.
Ich dachte daran, wie lange es gedauert hatte, bis die Wanne in meinem Zimmer heute Morgen gefüllt gewesen war. »Kann ich euch helfen?«
»Das kommt überhaupt nicht infrage.« Ehrlich entrüstet drückte mir Dolina mein neues Gewand in die Hand und wandte sich an ihre Tochter: »Joannas Räume sind fertig. Zeig sie ihr. Danach kannst du uns in der Küche helfen.«
Rasch liefen wir die enge Wendeltreppe hinauf, die aus dem Hof in die oberen Etagen führte – und die eine wahre Lady vermutlich nie zu Gesicht bekam. Unterwegs begegneten wir den beiden Mädchen und mussten uns dicht an die Wand drücken, um sie vorbeizulassen. Ausnahmsweise
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