Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wind Der Zeiten

Wind Der Zeiten

Titel: Wind Der Zeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeanine Krock
Vom Netzwerk:
verschieden großer Glocken, mit Seilen versehen, die in einem Loch in der Decke verschwanden. Das Geheimnis der Klingelzüge in den oberen Räumen war enträtselt. Wer immer hier Wache hielt, konnte die Mädchen informieren, sobald ein Bewohner läutete.
    »Duncan. Was ist hier los?« Hinter mir erklang Alans Stimme in einem Tonfall, den ich bisher noch nicht von ihm gehört hatte. Kein Wunder, dass die Leute ihn fürchteten, wenn er so mit ihnen sprach.
    »Ich – sie …« Ich lag noch immer in Duncans Armen während er verzweifelt versuchte, unsere kompromittierende Situation zu erklären.
    »Ich bin gestolpert«, sagte ich und versuchte vergeblich, einigermaßen würdevoll wieder auf die Beine zu kommen.
    »Joanna, das hätte ich mir denken können.« Warme Hände umschlossen meine Taille, sogleich spürte ich festen Boden unter den Füßen und stand schließlich vor Alan, der mich mit gerunzelter Stirn ansah.
    » Gleanngrianach , es tut mir leid.« Die Worte des unglücklichen Highlanders rissen Alan aus seinen Überlegungen.

    »Schon gut, Duncan. Sie hat diese Wirkung auf Männer. Komm, Kleines, ich will Angus nicht länger warten lassen.«
    Duncans erstaunter Blick folgte uns. Er sah ganz so aus, als hätte er gerade eine Art Wunder erlebt – und das schien nichts mit mir zu tun zu haben.
    Angenehm überrascht sah ich mich in dem Raum um, in den Alan mich nun führte. Was ich hier sah, übertraf meine kühnsten Hoffnungen. Vor den hohen Fenstern stand ein mächtiger Schreibtisch, der mit Papieren und gerolltem Pergament fast vollständig bedeckt war. Im Kamin brannte trotz des warmen Wetters ein Feuer, und an den Wänden: Bücher, wohin ich blickte. Einige davon in Vitrinen vor Staub und Kaminruß geschützt, viele in helles Leder gebunden, so wie ich sie aus alten Bibliotheken kannte. Wie im Traum bewegte ich mich von Regal zu Regal und strich andächtig über die breiten Buchrücken. Ich fühlte mich wie im Paradies, als ich auch noch berühmte Namen entdeckte: Cyrano de Bergerac, Defoe und John Milton; Racine stand neben Sir Walter Raleigh, und unzählige lateinische Titel fanden sich in den Regalen. Shakespeare fehlte natürlich auch nicht. Außerdem gab es dicke Bände über Seefahrt, Landwirtschaft und ferne Länder. Ich nahm ein Buch mit dem französischen Titel Schule der Frauen in die Hand. »Du hast das hier gelesen?«
    Alan stand plötzlich dicht hinter mir. »Du etwa nicht?«, fragte er zurück, und ich entdeckte ein Lächeln in seinen Augen. Molière hatte sich in seiner umstrittenen Komödie für die Liebesheirat ausgesprochen und für damalige Verhältnisse eine fortschrittliche Meinung zur Stellung der Frauen publiziert, erinnerte ich mich dunkel.
    »Leider nicht im Original. Dafür ist mein Französisch
nicht gut genug«, gab ich zu. In diesem Moment räusperte sich jemand vernehmlich, und Alan warf mir einen warnenden Blick zu. Himmel. Vermutlich war dieses Buch bisher in keine andere Sprache übersetzt worden.
    »Du kannst dich jederzeit in meiner Bibliothek bedienen.« Er wandte sich zu dem Mann um, der sich jetzt höflich aus einem Sessel erhob. »Angus MacRath von den MacRaths aus Gleann Sheile, mein ehemaliger Tutor und heutiger Verwalter. Angus, dies ist Joanna, eine Cousine aus der Familie meiner Mutter«, stellte er uns einander vor und fügte mit einem belustigt klingenden Unterton hinzu: »Zweifellos hast du schon eine Menge über sie gehört.«
    Angus verbeugte sich und musterte mich kritisch. Dann erschien ein Lächeln auf seinem Gesicht. »Mòrag ist sehr von dir angetan, Mädchen. Ich vertraue dem Urteil meiner Tochter, du bist jederzeit in unserem Hause herzlich willkommen.«
    Verlegen lächelte ich ihn an. »Vielen Dank.« Dieser Angus war jünger als derjenige, dessen Bemühungen im einundzwanzigsten Jahrhundert ich zu verdanken hatte, dass ich dieser Unterhaltung auf Gälisch überhaupt folgen konnte. Er trug auch keinen Bart, aber ich hätte schwören können, hätte man die beiden nebeneinandergestellt, wäre eine gewisse Ähnlichkeit zu erkennen gewesen. Vergeblich versuchte ich mich an den Nachnamen meines Pferdefreunds zu erinnern – er hatte jedenfalls auch ähnlich geklungen. Würde ich in dieser Welt womöglich Vorfahren der Menschen treffen, die mir nahestanden? Ich hoffte allerdings, nicht auch noch der schottischen Variante meiner weniger sympathischen Bekanntschaften zu begegnen.
    Doch dann fiel mir der zweite Grund für die Entdeckungstour durch das Haus

Weitere Kostenlose Bücher