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Wind Der Zeiten

Wind Der Zeiten

Titel: Wind Der Zeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeanine Krock
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an ihre Lippen zu führen, als ich den Raum betrat. Der Himmel mochte wissen, warum, das Ding bestand ja nur aus Spitze. Dabei hatte sie in der Bewegung innegehalten und sah nun aus wie eine dieser sündhaft teuren Porzellanfigürchen, die bei meiner Großtante in einer Vitrine standen. Anabelle machte ein Gesicht, als habe sie ein widerliches Insekt erblickt: »Mein Gott, die Irin«, sagte sie eine Spur zu schrill.
    Im Salon befanden sich noch weitere Gäste, die bei meinem Erscheinen eiligst aufgesprungen waren: James MacCoinnaich aus Balgy, Angus MacRath, Mòrags Vater, und als dritter ein blasser Mann – vermutlich der neue Lehrer, von dessen Ankunft Mòrag mir während der Ankleideprozedur berichtet hatte.
    Niemand sprach ein Wort, und ich spürte, wie sich ein hysterisches Kichern den Weg aus meinem nervösen Magen heraufbahnte, als Angus vortrat, sich über meine Hand beugte und sagte: »Wie schön, dass Sie sich besser fühlen und heute mit uns dinieren, Lady Joanna.«
    In diesem Augenblick öffneten sich die Türen zum Speisezimmer
und enthoben mich einer passenden Antwort, die mir zweifellos schwergefallen wäre. Eines der Hausmädchen sah herein, knickste, rieb sich die Hände am Rock ab und verkündete mit piepsiger Stimme und einem fürchterlichen Gemisch aus Englisch und Gälisch: »Es ist angerichtet.«
    Das war so gar nicht, wie ich es aus Historienfilmen kannte, in denen stets Diener mit gepuderten Perücken lautlos ihrer Herrschaft aufwarteten. Andererseits konnte ich mir die Männer, denen ich bisher in Gleann Grianach begegnet war, auch nicht in den seidenen Hosen eines Pagen vorstellen.
    Dieser Gedanke weckte erneut den gerade verschluckten Lachkrampf, und Angus drückte warnend meine Hand. Ach ja. Ich war hier, um die MacCoinnaich-Weiblichkeit zu repräsentieren. Also gut, auf in den Kampf.
    »Darf ich?« Höflich reichte mir der Verwalter den Arm, und da Alan keine Anstalten dazu machte, führte schließlich Lachlan die zukünftige Braut seines Bruders zu Tisch, während sich James mit einem Zwinkern ihrer Begleiterin annahm. Die Hunde trotteten hinter uns her und ließen sich grunzend neben Alans Stuhl am Kopf der Tafel fallen. Zum Glück taten sie das, denn die struppigen Ungeheuer hätten ohne weiteres von unseren Teller fressen können, ohne auch nur eine Pfote auf die Tischwäsche legen zu müssen. Der Geruch ihres feuchten Fells wehte jedes Mal zu mir herüber, wenn sie sich bewegten. Es konnte aber auch Alan sein, der diesen nicht sehr appetitlichen Duft verströmte. Ich musste vorhin vollkommen von Sinnen gewesen sein, mit ihm ins Bett zu steigen. Der Gedanke daran, wie wir übereinander hergefallen waren, ließ meine Wangen glühen. Schnell versuchte ich mich abzulenken.
    Angerichtet war das Abendessen im wörtlichen Sinne. Neben
einer riesigen Terrine hatten die Küchenhilfen so viele Platten mit Geflügel, Gemüse und Braten sowie Puddings und Desserts auf der Tafel platziert, dass kaum noch etwas vom Tischtuch zu sehen war. Dazwischen ragten drei Leuchter empor, in deren Oberfläche sich die Flammen der Kerzen widerspiegelten. Ihr Licht züngelte über eine bizarre Dekoration aus Zuckerwerk. In der Mitte saß eine Gans. Nur an den toten Augen erkannte ich, dass das Tier im Gegensatz zu mir das Schlimmste bereits hinter sich hatte. Hoffentlich kam niemand auf die Idee, es anzuschneiden.
    Wortlos löffelten wir unsere Suppe. Dabei beobachtete ich aus dem Augenwinkel, wie Alan den angebotenen Wein ablehnte und nach Whisky verlangte. Er rührte seinen Teller nicht an, flegelte sich auf die Stuhllehne und starrte seine Gäste feindselig an.
    Man muss Lachlan zugutehalten, dass er sich immerhin bemühte, eine Konversation in Gang zu bringen. Doch mit Ausnahme von Mary, die einen recht schüchternen Eindruck auf mich machte und nur leise und einsilbig antwortete, wollte anfangs niemand darauf eingehen.
    Der junge Lehrer neben mir blickte konzentriert auf seinen Teller und war deutlich bemüht, mit dem Besteck zurechtzukommen. Augenscheinlich war ihm die Gabel als Werkzeug äußerst suspekt. James schien alles für einen großen Spaß zu halten, so wie er grinste und mir gelegentlich zuzwinkerte, während Angus strenge Blicke in Richtung seines Chieftains warf und Anabelle jeden am Tisch mit Nichtachtung strafte. Die Situation erinnerte mich sehr an gemeinsame Mahlzeiten mit meiner eigenen Familie, bei denen ich auch lieber geschwiegen hatte, um nicht in die Kritik meiner lieben Verwandten

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