Wind Der Zeiten
gekränkt fühlte.
Dennoch, und das rechnete ich ihm hoch an, riss er sich schnell zusammen, schenkte Mary nach einem kurzen Augenblick des inneren Kampfs ein strahlendes Lächeln und bat uns mit den Worten »Würdest du für uns spielen?« nach nebenan.
Etwas unentschlossen stand ich gleich darauf im Salon herum, denn ich hatte keine Ahnung, wie so ein Abend eines Highlander-Haushalts vonstatten ging. Anscheinend hatte man sich in die barocken Sessel zu drapieren und mehr oder weniger gelungenen musikalischen Darbietungen zu lauschen. Also folgte ich Anabelles Beispiel und versuchte meine Unsicherheit zu überspielen, indem ich umständlich die Falten meines Rocks glättete. Ohne den Beistand von Angus und James, die mir wohlgesinnt waren, fühlte ich mich auf einmal sehr exponiert.
Anabelle griff nach ihrer Handarbeit, und Mary nahm an einem zierlichen Flügel Platz. Er erinnerte mich an den Tag, an dem ich als Klavierelevin zum ersten Mal ein ähnliches Instrument erblickt und versucht hatte, darauf zu spielen. Die schrägen Töne verfolgen mich noch heute.
Mary dagegen spielte nette Melodien, von denen ich keine einzige kannte. Manchmal sang sie dazu. Lachlan begleitete sie mit einem weichen Bariton und blätterte ihre Noten um.
Die beiden strahlten solch inniges Einvernehmen aus, dass ich mich fragte, ob ich die Einzige war, die diese Harmonie zwischen ihnen bemerkte. Sie schienen wie füreinander geschaffen zu sein.
»Sicher möchtest du uns ein paar Lieder aus deiner Heimat vortragen.« Anabelle riss mich aus meinen Gedanken. Ihre Augen wanderten hellwach zwischen ihrer Stickerei und dem Paar an dem zierlichen Instrument hin und her.
»Ich habe seit Jahren nicht mehr gespielt.« Im selben Moment war mir klar, dass ich das nicht hätte sagen dürfen. Ein solcher Satz klang nach falscher Bescheidenheit, dabei war es nicht einmal gelogen, denn ich hatte den Klavierunterricht der Nonnen von Herzen verabscheut und seither kein Instrument mehr angerührt. Zudem zweifelte ich daran, diesem altertümlichen Instrument ohne Übung überhaupt einen geraden Ton entlocken zu können.
»Aber das macht doch nichts, nicht wahr?«, wandte Anabelle sich jetzt mit einem feinen Lächeln an Mary. Ihre Hände ruhten dabei keinen Augenblick. Mit einer geradezu verbissenen Akribie setzte sie Stich an Stich auf dem dünnen Leinen und erinnerte mich dabei an einen Schmetterlingssammler, der die fragilen Tiere ohne mit der Wimper zu zucken mit einer Nadel durchbohrte, um sie in einem Schaukasten zu präsentieren.
Mir wurde ziemlich heiß in meinem Korsett. Verzweifelt suchte ich nach einer guten Ausrede, als nun auch Lachlan mich ermunterte, meine Talente unter Beweis zu stellen. Behutsam streckte ich die Finger aus, um die Lage der Tasten zu erkunden, da öffnete sich die Tür. Erleichtert sprang ich auf.
Alan kam herein und polterte: »Deine Männer haben wieder Ärger gemacht. Cladaich verlangt Entschädigung für seine
Pächter. Dieses Mal wirst du ihn bezahlen. Ich glaube, es ist genügend Geld übrig geblieben von den Raubzügen im letzten Herbst.« Er wirkte nun gar nicht mehr betrunken.
Lachlan gab sich nonchalant. »Welche Raubzüge? Die Rinder sind von Gott dem Allmächtigen geschaffen, sie fressen Gras, das Er ganz ohne unsere Hilfe wachsen lässt. Also gehören sie niemandem.« Er fuhr sich durchs Haar. »Was willst du? Es ist für die Männer nicht mehr als eine Übung. Wenn sie zu lange untätig herumsitzen, werden sie eben ein wenig wild. Das ist deine Schuld. Du hättest die Raids nicht verbieten sollen, die anderen klauen doch auch von uns.«
»Mir ist es egal, wenn ihr unseren Nachbarn ein paar Tiere entführt, das weißt du ganz genau.« Drohend ging Alan auf seinen Bruder zu: »Aber ich dulde es nicht, dass jemand dabei zu Schaden kommt.«
Dies war eine blendende Gelegenheit, mich aus dem Staub zu machen. Als ich an Alan vorbeiging, konnte ich mir nicht verkneifen, ihn leise anzufauchen: »Wenn du mich noch einmal allein mit diesen Hyänen lässt, drehe ich dir den Hals um.« Er gönnte mir keinen Blick.
Dieser Mann interessiert sich nicht die Bohne für mich, dachte ich beleidigt, streifte die viel zu großen Pantoffeln ab und rannte hinauf in mein Zimmer.
7
Lachlan
A m Tag darauf ließ ich die Tagebücher in ihrem geheimen Versteck. Eigentlich hatte ich sie Alan zeigen wollen, aber so wie er sich gestern benommen hatte, interessierte ihn mein Fund wahrscheinlich überhaupt nicht. Vielleicht würde
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