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Wind & Der zweite Versuch

Wind & Der zweite Versuch

Titel: Wind & Der zweite Versuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Hammerschmitt
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wenn nicht speziell nach ihnen gesucht wurde, dann waren die großen Straßen immer noch der schnellste und sicherste Transportweg. Eddie glaubte nicht mehr daran, daß Brauner II über die Bullen an sie herankommen wollte. Vielleicht hatte er ihre Spur ganz verloren, und sie waren auf der Flucht vor jemand, der sich schon länger nicht mehr um sie kümmerte, sondern bloß um das, was sie versteckt hatten. »Hm?«
    »Neonbaby? Ist der verrückt? Berufskiller, oder sowas?«
    »Hast ja am Anfang ganz schön mit ihm geflirtet.« Das hatte er nicht sagen wollen. Das war so aus ihm herausgerutscht, billige kleine Rache für einen bewundernden Wow-was-ein-Mann-Blick.
    Tina schwieg eine Weile. Eddie konnte gut verstehen, daß sie sich beschissen fühlte. Sie kam aus einem grenzwertigen Kerrang-Entzug, sie war von Neonbaby wie ein Stück Dreck behandelt worden und hatte außerdem im Verlauf dieser Demütigung all ihre Rechte an einem wichtigen Patent an jemand anders vergeben, was ganz nebenbei auch bedeutete, daß sie ihre Staatsbürgerschaft im »Wohlfahrtsausschuß« verscherzt hatte, denn die meisten Bolos betrachteten technische Entwicklungen, die auf ihrem Boden zustandekamen, zur Hälfte als ihr Eigentum. Er hätte sich auch beschissen gefühlt.
    »Erstens flirte ich, mit wem ich will. Und zweitens, wenn mir dieser Wichser noch einmal über den Weg läuft, mach ich ihn kalt.«
    Eddie war in der Stimmung für einen gediegenen Streit. Und deswegen antwortete er:
    »Und ich bumse mit wem ich will. Bevor du Neonbaby auch nur anhauchen kannst, hat er dich schon geschreddert. Das ist ein Assassine, ein A-Mann, falls dir das etwas sagt. Bist du blind, oder was? Hast du die Bewegungen gesehen? Irgendwo hat dieser Typ zusätzliche Muskeln. Wahrscheinlich stammt sein Verhalten aus der Dose oder er ist irgendwie auf Kampfmaschine tiefenkonditioniert, weiß der Geier. Du und Neonbaby kaltmachen, daß ich nicht lache. Ha!«
    Tina konterte trotzig, aber nicht sehr überzeugt:
    »Assassinen gibt’s doch gar nicht.«
    »Du hast grade einen kennengelernt.«
    »Scheiße.«
    »Du sagst es.«
    Sie schmollte jetzt bloß noch. Da lag noch etwas anderes auf ihrem Herzen. Auf der Gegenseite rollte ein Militärtransport vorüber, drei Mammuts mit dem üblichen Marketenderrattenschwanz, blaugestrichen, also Innenministerium. So viel Aufwand wegen zwei toten Bullen, das schien Eddie etwas unverhältnismäßig. Tina machte sich Luft:
    »Wie war ich?«
    Eddie nahm an, daß sie damit nicht die Auseinandersetzung mit Neon meinte. Die Frage beschämte ihn.
    »Du warst auf Entzug. Hast kaum was gesagt. Weggetreten warst du.«
    »Was habe ich gesagt?«
    »Wirres Zeug.«
    Eddie wollte nicht erwähnen, wie sie nach einer Person namens »Papa« gerufen hatte. Die Erinnerung daran war ihm peinlich. Zum Glück wechselte sie das Thema.
    »Und wo fahren wir überhaupt hin?«
    »Zu meinem Vater.«
    »Da suchen sie uns doch zuallererst.«
    Eddie sagte:
    »Mein Vater ist reich.«
    Als ob das etwas erklärt hätte.
     
    Sein Vater wohnte in Rothenburg ob der Tauber, einem durchdigitalisierten Fachwerkbolo, das Spitzenverdienern vorbehalten war. »Behutsam renoviert« nannte sich dieses Freiluftmuseum, aber wer sich dort in der Nase bohrte, wurde dabei gefilmt. Eddie war sich selbst nicht sicher, ob es eine gute Idee war, gerade jetzt die Verlorener-Sohn-Nummer abzuziehen, aber soweit er wußte, beschäftigte die Hochverdienergemeinde, in der sein Vater wohnte, nicht allzu gern die offizielle Polizei, was auch der Grund dafür war, daß die Straßen in Rothenburg von Typen in schwarzen Lederjacken patrouilliert wurden, die ihre kleinen und handlichen Maschinenpistolen über den Rücken geschnallt trugen, auf den ersten Blick kaum sichtbar. Man hätte mit jedem dieser Wachmänner ein gepflegtes Gespräch über Descartes oder die moderne Kunst führen können, hatten alle Abitur und den schwarzen Gürtel, kannten sich aus in den drei wichtigsten Fremdsprachen und den fünf sichersten Stellen für den aufgesetzten Nahschuß, alles Topleute (Müller & Halske Security). Ganz Rothenburg war von einem Zaun umgeben, dessen oberer Rand vierzig Zentimeter nach außen überkragte, die Stahlspitzen, die dem Fremdling entgegenstachen, sahen aus, als könne man an ihnen die Finger verlieren mit einem sauberen Schnitt durch den Knochen hindurch. Diese Typen mußten eine Mannschaft beschäftigen, die den Zaun pausenlos mit der Flex auf Rasiermesserschärfe trimmte. Die

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