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Wind & Der zweite Versuch

Wind & Der zweite Versuch

Titel: Wind & Der zweite Versuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Hammerschmitt
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Tür, und unversehens standen die beiden vor Eddies Vater, einer erstaunlich legeren Gestalt in Hemd und kurzen Hosen, braungebrannt, mit Halbglatze und Goldrandbrille, kaum ein Bauch, durchtrainierte Beine. Hätte ein erfolgreicher Rechtsanwalt sein können, kurz vor dem Wechsel in die Politik.
    »Eduard«, rief er und kam die Treppe heruntergelaufen, wechselte das Glas Mineralwasser von der Rechten in die Linke und griff nach Eddies Hand. »Aber so wirst du ja nicht gern genannt, stimmt. Eddie«, sagte er, verbindlich nickend, und hatte immer noch nicht Eddies Hand losgelassen. »Und das ist deine Freundin …?«
    »Tina«, vervollständigte Eddie etwas eifrig.
    Sofort ließ sein Vater seine Hand los und fischte nach Tinas, er gab ihr einen formvollendeten Handkuß und sagte mitten in ihre Verdutztheit hinein:
    »Horst. Freunde nennen mich Horst.«
    Bis jetzt war noch kein Wort über Eddies Auge gefallen, das mittlerweise moosgrün schimmerte. Das nonchalante und völlig sichere Auftreten seines Vaters entnervte Eddie von der ersten Sekunde an, aber was wollte man machen, dieser Mann lebte hinter zwei Verteidigungswällen, die ihn auf alles vorbereiteten, was das Leben ihm an Überraschungen bieten konnte, also war er auch auf Eddies moosgrünes Auge gefaßt. Alles, was diesen Mann überraschen konnte, mußte aus seinem Inneren kommen. Tina schien durchaus angetan von Horst, und sie ließ sich weitaus bereitwilliger in das Wasserschloß hineinziehen als Eddie selbst, der schon seit etwa einer Stunde bedauerte, hier überhaupt aufgetaucht zu sein. Sechs Jahre. Sechs Jahre hatten sie sich nicht gesehen, und sein Vater tat gerade so, als seien sie dicke Freunde und alte Bekannte und überhaupt sehr gut miteinander im Benehmen. Horst sagte verschwörerisch, nachdem er an seinem Mineralwasser genippt hatte:
    »Ich zeig euch jetzt mal was.«
    Eingangshalle. Die kühle Gemütlichkeit professioneller Innenausstattung (da waren irgendwelche Bauhaus-Urenkel am Werk gewesen). Moderne Kunst der obskureren Art an den Wänden. Moderne Kunst auch in der Lounge, felsgroße, verrostete Knollen, die stumm vor sich hin murmelten: Ich habe ein Vermögen gekostet. Man trank gemeinsam ein bißchen Mineralwasser. Horst hatte tatsächlich den Nerv, übers Wetter zu reden und dabei Tina schöne Augen zu machen. Danach über eine Wendeltreppe abtauchen in den Keller (moderne Kunst an den Wänden), vorbei an einem offenstehenden Umkleideraum, hinter der Tür: das Schwimmbad. Olympiamaße. Grünlich wabernde Reflexe an der Hallendecke. Geschmackvolle Musik im Hintergrund, aus der Richtung der Solarienwiese. Olympiareif auch die Balance, mit der sein Vater auf dem Grat zwischen Besitzerstolz und der Bescheidenheit eines Mannes wandelte, der sich ja sonst nichts gönnt. In der Tat: hier wurde nicht geprotzt. Das Schwimmbad, wie alles in diesem Haus, verströmte nur den Charme luxuriöser Notwendigkeit.
    »Eddie, Tina«, sagte sein Vater. »Das hier gibt es erst seit letzter Woche. Hab bisher nur ich benutzt. Wollt ihr schwimmen? Das Wasser ist geheizt!«
    Tina wollte.
    Horst sagte: »Ja, dahinten, da sind Badesachen, in dem Schrank da. Könnte was Passendes für dich dabei sein.«
    Und als Tina mit einem kindlichen Lächeln auf dem Gesicht und einem einteiligen dunkelblauen Badeanzug in der Hand wieder an ihnen vorbei war, faßte Horst Eddie um die Schultern und sagte:
    »Was ist mit deinem Auge? Hast du was angestellt?«
    Er fragte so verbindlich, Eddie hätte ihm beinahe vertraut. Er sagte: »Probleme.«
    Horst sog seine Unterlippe ein und nickte bedächtig mit dem Kopf, wie jemand, der durchaus versteht, daß auch andere ihre Schwierigkeiten haben.
    »Hm. Probleme. Kann ich dir helfen? Was kann ich tun? Nettes Mädchen hast du da! Brauchst du Geld?«
    Eddie dachte: eine Woche. Mein Vater ist ein Burgherr. Vielleicht können wir eine Woche bei ihm bleiben. Brauner II wird hier nicht durchkommen. Nicht einmal Neonbaby. Ich bleibe eine Woche bei meinem Vater, dann gehe ich in die Welt hinaus, und die Feinde werden besiegt und blutend auf der Erde liegen, ein Aas, verstreut vor den Toren der väterlichen Burg.
    »Vielleicht …«, sagte er, und da zirpte es in der Hosentasche seines Vaters, er zog ein scheibenförmiges Gerät hervor, preßte es sich ans Ohr und ließ seinen Blick wie jemand herumwandern, der bei Telefonanrufen nur Hiobsbotschaften erwartet. »Ja. Ja. Wie dringend? Bin gleich oben.« Er klappte das Gerät wieder zusammen und

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