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Wind & Der zweite Versuch

Wind & Der zweite Versuch

Titel: Wind & Der zweite Versuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Hammerschmitt
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Spiegelscherbe gesehen hatte, war da links eine von trockenblutig-verkrusteten Fetzen umgebene Höhle, und er mußte über sich selber kotzen. Und er zog trotzdem weiter mit diesem Treck, verjagt von Stadt zu Stadt, von Küste zu Küste, das Strandgut eines mißliebigen Krieges, ein zielloser Kreuzzug von Irren und Krüppeln, und manche fielen einfach um und manche wurden getötet von Bürgerwehren oder wilden Tieren oder von Krankheiten wie Lungenentzündung und Pocken, aber Wes hatte sie alle überlebt, sogar den einen, der sein Auge genommen hatte und der sich eines Abends schweigend in eine Benzinlache gesetzt hatte, um zu verbrennen. Da wußte Wes auch, wozu die hellglänzende Flasche gut gewesen war, die er immer am Gürtel des schwarzen Riesen hatte baumeln sehen. Ein Meer von Flammen. Alle hatte er überlebt und war weitergezogen, durch die Savannen und Wüsten und die Städte, die er und seine Kollegen einst hatten verkohlen lassen, und durch die neuen Städte, in denen das Leben weiterging, und am Meer entlang, und an alten Straßen entlang, und an neuen Straßen entlang. Einer schenkte ihm eine Augenklappe anstelle der schmutzigen Binde, die er mit Sprit getränkt und über die leere Augenhöhle gelegt hatte, manchmal juckten die Narben, bevor es Regen gab. Das Grün seiner Jacke war unter krakeliger Schrift verschwunden. Und jetzt wand er sich in diesem Haus auf dem Boden und schlug sich selbst und versuchte nicht zu schreien. Und er wand sich, bis er müde wurde, und als er müde wurde von all dem Schlagen und Wimmern und Winden, konnte er endlich schlafen, zum Glück traumlos.
     
    »Diese Leute!« sagte die junge Frau, spuckte es in den Raum vor sich hin, als sei es etwas Giftiges.
    Goddard sah sie mit der Mischung aus Belustigung und Entsetzen an, mit der man eine Kragenechse ihre Halskrause entfalten sieht: kahlgeschorener Schädel mit maximal noch zwei Millimetern Haar, ein Engelsgesicht mit übernatürlich großen braunen Augen, ein voller Mund, ein schlanker Hals, jetzt vor Zorn gerötet. Goddard fand, daß die junge Frau vor ihm erregend aussah in ihrer Wut, die Haltung ließ auf einen trainierten Körper schließen, sehr weiblich geformt. Es hieß, daß die Priesterinnen der CSS ausschließlich aus Gentanks stammten, jedenfalls sollte sich so ihre überraschende Ähnlichkeit untereinander erklären lassen. Es hieß auch, daß die CSS augenlose männliche Individuen heranzüchtete, die innerhalb der Sekte als »Seher« bezeichnet wurden. Diese Deborah hier vor ihm mußte jedenfalls eine mächtige Frau in ihrer Sekte sein, wenn sie mit ihm verhandeln durfte. Andere waren von der CSS bis zur Einschüchterung beeindruckt, aber nicht Goddard. Er wußte, was man über die Sekte wissen konnte, und er war oft genug mit ihren Mitgliedern zusammengetroffen, um ihre Schwachstellen herausgefunden zu haben. Die Kader der CSS neigten zum Beispiel samt und sonders zum Jähzorn. Wahrscheinlich war das die Folge ihrer religiösen Paranoia oder ihrer krankhaften Arroganz. Auf jeden Fall waren sie dort zu packen.
    »Wir geben ihnen mehr als eine Welt!« sagte Deborah. »Wir flicken ihnen ihre alte Welt zusammen und geben ihnen eine Vision von einer neuen. Und was tun sie? Sie öden uns an mit ihrem Geiz. Apollo hat 25 Milliarden US-Dollar gekostet, und sie wollen uns vertrösten auf das nächste Jahr, wenn wir einen Bruchteil davon in Credits fordern. Diese beschissenen, heidnischen Araber. Die glauben wohl, sie könnten sich alles erlauben, nur weil sie jetzt auf den Weltenergieressourcen sitzen wie die Hähne auf dem Mist. Schießen ihre Führer in lächerlichen Büchsen in ihre engen Orbits, weil sie hier unten fürchten müßten, überrannt zu werden. Ein Haufen von Spießern und Hosenscheißern ist das, und er läßt die Welt per Satellit regieren. Sie haben die Kralle auf der Orbitaltechnik. Ein Wink von ihnen, und unsere Kräfte und unser Wissen würden sich verzehnfachen. Aber sie sind zu dumm, die Pfennigfuchser, um zu erkennen, daß ein starkes Amerika eine ganz andere Basis für ihre Geschäfte bieten würde, als dieser Flickenteppich von einem Land, auf dem wir jetzt leben. Wir bieten ihnen einen einheitlichen Markt. Eine einheitliche Währung. Frei bewegliche Arbeitskräfte. Fünfzig vereinigte Staaten. Milliardenaufträge vom Staat und einer neuen Industrie. All das rückt täglich näher durch Apollo II, und Apollo II ist ohne die CSS nicht zu machen. Und was tun sie? Sie verweigern uns die

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