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Wind & Der zweite Versuch

Wind & Der zweite Versuch

Titel: Wind & Der zweite Versuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Hammerschmitt
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stark. Der Capitaine, erkennbar an gelben Streifen, mit denen die Schultern seines Panzers bedruckt waren, sagte:
    »Also wenn mich nicht alles täuscht, glaube ich, daß ich jetzt im Moment … also ich glaube wirklich, ich muß mal.«
    Und er trat an Pierre heran, öffnete erst seinen Unterleibspanzer und dann die darunterliegende Hose, nahm seinen Schwanz heraus und pißte Pierre an, wobei er ihn ins Gesicht zu treffen versuchte. Pierre konnte spüren, wie die warme Pisse in seine Kleider drang und schließlich an seinem ganzen Körper herablief. Niemand sprach, niemand lachte, nur das sirrende Geräusch der Copter in der Luft. Als der Capitaine mit Pissen fertig war, knöpfte er sich wieder zu und sagte zu Pierre:
    »Sag mal du Arschloch, bist du eigentlich nicht schon zu alt, um dir noch in die Hosen zu machen?«
    Und er versuchte Pierre in die Eier zu treten, glücklicherweise traf er aber nicht gut, sondern die eiserne Stiefelspitze drang nur in die Innenseite von Pierres rechtem Oberschenkel. Er konnte sich nicht bewegen, und so konnte er auch weder schreien, noch zusammenklappen, sondern mußte den eisigen Schmerz einfach an sich emporlodern lassen. Der Capitaine hatte seinen Spaß an Pierre verloren und ließ von ihm ab. In seinem Rücken hörte Pierre ihn sagen:
    »Ja, was haben wir denn da? Seht euch das an, Männer! Dieser miese kleine Wichser steht hier gefroren in der Landschaft herum und hält dabei eine Kanone in der Hand, wie die Freiheitsstatue ihre Fackel!«
    Oh nein, dachte Pierre, bitte nicht. Er hätte es auch gesagt, wenn er nur hätte sprechen können. So mußte er sich aufs Denken beschränken.
    »Und wenn mich nicht alles täuscht, also ich bin fast sicher, daß dieses Weichei auch noch eine Beretta in der Hand hält, eine Beretta wie die, die in meinem eigenen Gürtel steckt. Ich glaube«, sagte der Capitaine, und Pierre hörte ein trocken-knirschendes Geräusch, das er erst identifizieren konnte, als es sich das dritte Mal wiederholte: Didis Finger brachen wie trockenes Holz. »Ich glaube«, sagte der Capitaine, »es ist ein guter Abend für einen Selbstmord, hab ich recht, Arschloch?«
    Unvermittelt krachte ein Schuß, und etwas Schweres fiel zu Boden. Dumpfe Tritte in einen weichen Körper.
    »Was bedrohst du uns auch mit einer Kanone, Schwanzlutscher? Das hast du jetzt davon. Selbstmord am späten Abend. Schießt dir selber in den Kopf, völlig ohne Stil und Phantasie. Und wer muß die Sauerei wieder wegmachen? Wir. Du dummes Arschloch.«
    Noch ein Tritt.
    »Schafft sie weg, Männer. Die Seifenkisten holen wir später.«
    In die Insekten vor ihm kam Leben. Schmale Plastikstreifen schlossen sich um seine Hand- und Fußgelenke. Der Fahrstuhl glitt heran, und er wurde auf seine Oberfläche hinaufgestoßen. Fifi …, dachte Pierre.
     
    Oliver hatte zwei Probleme, aber er sagte sich, daß es eigentlich dumm war, bei einem so begnadeten Wetter und an einem so schönen Tag Probleme zu haben, denn der Himmel stach blau von zitronengelbem Herbstlaub ab, und es ging ein paradiesisch milder Wind durch diesen späten Oktober. Der kultivierte Kies knirschte unter seinen Schuhen wie eigens dafür auf dem Boden ausgelegt. Es gab kein Leugnen. Dieses Kratzen in seinem Hals wollte einfach nicht nachlassen, er hatte sich schon fast die Kehle wundgeräuspert, und der Gedanke daran, was da in seiner Kehle kratzte, machte die Sache nur schlimmer. Er versuchte sich nicht zu räuspern, er räusperte sich doch. Wahrscheinlich würde er vollkommen heiser sein, bis er die Komiteesitzung eröffnen mußte, das würde das Chaos perfekt machen. Er war nun schon eine ganze Zeitlang der Vorsitzende der Charles E. Webster Memorial Foundation, und er hatte es sich bisher in dieser Funktion meistens wohl sein lassen, denn erstens war sie mit einem erklecklichen Monatsgehalt verbunden, zweitens liebte Oliver die Atmosphäre von Wohlstand und Geborgenheit, in die ihn die Stiftung noch stets versetzte, und drittens war er Leuten gerne behilflich, auch wenn es sich nur um Künstler handelte, die ihre perversen und geschmacklosen Arbeitsvorhaben mit Hilfe der Stiftungsgelder in die Tat umsetzen wollten. Aber so hatte es Charles E. Webster vor fünfzig Jahren gewollt, bevor er sich nach Südfrankreich abgesetzt hatte, und Oliver, als ausgebildeter Ökonom, sorgte mit seinem Stiftungsrat durch kluge Investitionen dafür, daß die Gelder, um die herum Charles E. Webster einst seine Stiftung gebaut hatte, nicht weniger wurden,

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