Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wind & Der zweite Versuch

Wind & Der zweite Versuch

Titel: Wind & Der zweite Versuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Hammerschmitt
Vom Netzwerk:
sondern im Gegenteil von Jahr zu Jahr anwuchsen, was einem mittlerweile beträchtlichen Mitarbeiterstab zu Arbeit und Brot verhalf. Die Erfüllung seiner mannigfaltigen Aufgaben als Präsident der Stiftung war ihm von jeher durch das völlige Desinteresse des Stiftungsgründers erleichtert worden. Mr. Charles E. Webster hatte kaum die Briefe beantwortet, die Oliver ihm in das provencalische Exil hinterhergesandt hatte. Offenbar war dem Gründer seine Stiftung mit den Jahren zunehmend gleichgültiger geworden, und so hatte sich bei Oliver nach einer gewissen Zeit das Gefühl eingestellt, die Stiftung sei im Grunde ganz und gar die seine. Heute allerdings war ihm unbehaglich, denn er hatte Post aus Frankreich bekommen, und die Post führte er in seiner schwarzen Ledertasche mit sich, und er würde sie wohl oder übel den anderen Mitgliedern des Stiftungsrates zeigen müssen, und zwar sofort. Denn heute würde es um die Überführung des Leichnams von Charles E. Webster sen. aus den Händen der französischen Polizei in diejenigen der Stiftung gehen, und da konnte er die den obduzierten sterblichen Überresten des Stiftungsgründers beigegebene Post von der französischen Polizei schlecht verschweigen. Auf den Sandsteinstufen zum Eingang des Hauptgebäudes blieb er noch einmal stehen, um sich den Schweiß von der Stirn zu tupfen. Der Park lag friedlich. Friedlich führte ein Kiesweg vom Fuß der Treppe, an der er stand, zu einem vielleicht hundert Meter entfernten Gebäude in vage griechischem Stil: dem Familienmausoleum der Websters. Die Vögel zwitscherten friedlich im späten Oktober, als sei das Jahr nicht schon bald vorbei. Oliver ließ sich von dem Panorama beruhigen, bis er sich wieder wegen des Kratzens in seinem Hals räuspern mußte. Seufzend nahm er die letzten Stufen und fegte dynamisch in das Gebäude hinein. »Hi, Joan«, sagte er zu Miss Foster, die in der Eingangshalle hinter dem Tresen der Rezeption saß, sie nickte ihm knapp über die Ränder ihrer altmodischen Brille hinweg zu. Diese altmodische Brille fügte sich bestens in das Gesamtambiente ein, denn das ganze Gebäude war in einem Stil eingerichtet, den ein Baumwollpflanzer aus Louisiana um 1850 sehr angemessen gefunden hätte, und es war alles echt. Kein Chrom, kein Stahl, keine Tastfelder und keine elektronischen Armaturen, selbst das sprachgesteuerte Umweltkontrollsystem, das auf den Namen Robert hörte, war so unauffällig hinter Teak, Damast, Gobelins und Draperien versteckt, daß es dem Baumwollpflanzer aus Louisiana niemals aufgefallen wäre. Jedenfalls nicht, bis es sich selbst mit seiner wunderbaren Baßbaritonstimme selbst gemeldet hätte, um ihn nach seinem Befinden zu fragen. »Guten Tag, Mr. de Croon, ich …«, wollte Robert gerade zu Oliver sagen, aber Oliver war nicht in Stimmung, mit einem Computer zu reden, als er über den Gang zum Hauptsitzungssaal lief, und er antwortete gereizt: »Halt’s Maul, Bob.« Mit Schwung fegte er in den Sitzungssaal hinein und ließ die Tür krachend hinter sich zufallen. Erstens sollten alle wissen, daß er nun a) anwesend und b) ziemlich verärgert war, und er hoffte, daß dieses Wissen ihm genug Zeit geben würde, seine schlechten Nachrichten trotz seiner wunden Kehle unwidersprochen loszuwerden, wozu er seiner Berechnung nach etwa zwanzig Minuten brauchen würde. Er ließ seine Tasche ziemlich hart auf den Tisch knallen und begann ohne Atempause mit seiner Rede.
    »Ladies and Gentlemen, liebe Freunde, Mitglieder des Stiftungsrates der Charles E. Webster Memorial Foundation. Wir haben ein Problem. Wie Sie sicher alle wissen, sollte sich heute alles um die Überführung des Leichnams unseres seligen Stiftungsgründers in unsere Hände drehen, und es wird sich alles darum drehen, ganz gewiß. Wir werden uns Gedanken über eine möglichst stil- und würdevolle Rückkehr von Mr. Charles E. Webster in das Land seiner Väter machen, o ja, das werden wir, und ich werde Ihre diesbezüglichen Vorschläge dankbar entgegennehmen, um sie einer sorgfältigen Prüfung zu unterziehen. Aber leider, leider ist das nicht alles, womit wir uns heute beschäftigen müssen. Wie Sie sicher alle wissen, hatte die französische Polizei Bedenken wegen der Art und Weise des Ablebens von Mr. Webster, und sie hat die Umstände seines Todes einer rigorosen Untersuchung unterzogen. Bei dieser Untersuchung ist zutagegetreten, daß Mr. Webster in den letzten Jahren geruht hat, sich mit der Abfassung gewisser Schriften zu

Weitere Kostenlose Bücher