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Wind & Der zweite Versuch

Wind & Der zweite Versuch

Titel: Wind & Der zweite Versuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Hammerschmitt
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nicht bezahlt haben, und weil der Kühlschrank nicht läuft, darum.«
    »Ich will kaltes Bier.«
    Keine Antwort.
    Und jetzt muß ich ein Leben lang für diesen verkrüppelten Bankert sorgen, der sich da hinten wahrscheinlich schon wieder die Windeln vollscheißt; in einem Alter, in dem andere in den Kindergarten gehen. Das waren drei üble Jahre für dich, Kenny. Im Dorf gehen sie einem aus dem Weg, weil sie glauben, es hat mit dem bösen Blick zu tun. Als hätte nicht jeder von ihnen einen ähnlichen Fall in der Verwandtschaft. Aber meine Fische fressen sie doch, die blöden Hammel. Ich hätte Mary heiraten sollen, die wollte mich, und war zwischendrin nicht mal kurz nach Indien gegangen, wegen irgendwelcher Orgien. Du gute Güte, welcher vernünftige Mensch geht nach Indien? Was für ein lausiger Abend. Ich sitze hier allein an meinem Tisch und trinke pißwarmes Bier, während meine Frau in der Küche steht und sich nicht zu mir her traut.
    Sie stand am Herd, für den sie das Gas glücklicherweise noch nicht abgestellt hatten, und machte Milch warm, weil sie sie vielleicht später warm trinken wollte, oder weil sie die Katze verwöhnen wollte, oder einfach nur so.
    Sie dachte:
    Jetzt brütet er wieder über seinem Bier und macht mir Vorwürfe. Er macht mir immer Vorwürfe, die ganze Zeit, wahrscheinlich hauptsächlich wegen meines halben Jahrs in Indien. Er sagt es nie, aber ich kann seine Vorwürfe richtig spüren. Wenn man ins Zimmer kommt, stehen sie zwei Meter hoch da und glotzen einen stumm an. Dabei kann es genausogut seine Sache sein. Damals war doch die Strahlung so hoch, daß man keinen einzigen Fisch aus dem Wasser zog, der nicht krank war, der nicht irgendwo eine Geschwulst oder einen Schorf sitzen hatte; dieser ganze Dreck kam von drüben, und ihre Regierung und unsere Regierung hat es vertuscht, aber das Fischen war verboten. Und wovon hätten wir leben sollen, nach dem Unfall? Vielleicht von der Luft? Und natürlich hat er auch selber von seinen Fischen gefressen, von denen wahrscheinlich, die am gesündesten aussahen. Das können genausogut seine Eier sein, die faul sind. Wenn bloß das Kind nicht noch mal wach wird heut abend. Ich dreh ihm den Hals ab.
    Sie wischte die Hände an ihrer schmutzigen Schürze ab, dabei stieß sie versehentlich den Topf mit der heißen Milch um, er fiel zu Boden und ergoß dabei seinen Inhalt über ihre Hausschuhe und die Fliesen. Sie verbiß sich einen Schmerzenslaut, um ihn nicht auf ihr Ungeschick aufmerksam zu machen. Während sie den Boden sauberwischte und die Katze mit einem saftigen Schlag wegscheuchte, die sich an der Milch hatte gütlich tun wollen, lauschte sie angestrengt auf die Geräusche aus dem Wohnzimmer. Zum Glück wurde kein Stuhl verschoben, er war nicht aufgestanden, um in die Küche zu kommen und sie auszuschimpfen wegen der Milch. Sie atmete aus.
    Das Meer warf sich wie ein Tier gegen die Felsen, die es daran hinderten, über das Dorf herzufallen. Das Kind lag in seinem Laufstall und schlief. In seinem Traum rüttelte es an den Stäben des Laufstalls und dachte Gedanken, die es niemals würde in Worte fassen können, farbige Gedanken, die keinerlei Bedeutung besaßen für ein Gehirn wie das seine.
     
    Weiße erstickende Stille. Wenn er aus dem Küchenfenster sah, konnte er den weiten, weichen Schnee zwischen die kahlen Birken fallen sehen. Eine ideale Gegend zum Verrücktwerden, hatte Solveig immer wieder gesagt, bis er ihr eines Tages »Dann geh doch« erwidert hatte. Und sie hatte darauf geantwortet: »Das ist gar keine so schlechte Idee.« Und war gegangen, mit dem nächsten Postcopter nach Stockholm zurück, und von dort nach wer weiß wohin. Björn trank eine Tasse Tee, und er kratzte sich unablässig dabei an seinem Unterleib. Es war schlimmer geworden mit dem Ausschlag in letzter Zeit, und er hoffte, daß er bald das Geld für die Operation zusammenhaben würde. Plötzlich stellte er die Tasse hart auf die Anrichte und lief die Treppe zur Haustür hinunter; als er sie öffnete, drang eine kristalline Kälte herein, die ihn augenblicklich an seinem Entschluß zweifeln ließ. Aber wo er nun schon so weit war, wollte er nicht mehr zurückstecken. Er lief mit seinen dünnen Hausschuhen auf den Briefkasten an der Straße zu, das waren gute zweihundert Meter, schlug sich ständig selbst mit den Armen und redete sich ein, daß das gegen die Kälte half. Zu allem Überfluß brannte der Ausschlag gerade jetzt besonders heftig, und er fragte sich, ob

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