Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wind & Der zweite Versuch

Wind & Der zweite Versuch

Titel: Wind & Der zweite Versuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Hammerschmitt
Vom Netzwerk:
mirexyerseuchten Fliegen, und sie waren am nächsten Tag so unfähig, ein Netz zu bauen, als wüßten sie gar nicht, wie das geht. Die Hauptproduktionsstätte für Mirex lag auf Madagaskar, und Südamerika, Afrika und Asien wurden von einer Konkurrenzfirma namens Duvalier Chemical mit dem Konkurrenzprodukt Erasure bedient. Sie fragte bei Agronomen an ihrer eigenen Universität nach und sprach mit Biochemikern aus Süddeutschland, Frankreich und wiederum Nordamerika und hörte von ihnen viel Gutes über Mirex: effektiv, ungiftig, rückstandsfrei abbaubar. Ein Pestizid der neuesten Generation. »Wieso, was ist damit?« hatte ein gewisser Herr Gschwendner aus München gefragt. »Nichts Besonderes«, hatte sie ihm zur Antwort gegeben, aber das war töricht gewesen, es hatte ja keinen Sinn, ihre Ergebnisse geheimzuhalten. Allerdings war auch fraglich, ob es mehr Sinn hatte, sie zu veröffentlichen, der saudiarabische Konzern war (zusammen mit Duvalier) DAS GELD schlechthin in der Biotechnologie; wenn sie sich richtig erinnerte, bezahlte er sogar ganze Forschungsgruppen an ihrer Universität. Wie man hörte, hatte die Entwicklung von Mirex Hunderte von Millionen gekostet, weil man soviel Wert auf seine ökologische Unbedenklichkeit gelegt hatte. Was hatte sie für eine Chance? Belinda stand an dem Betonpolier an dem toten See und merkte erst nach einiger Zeit, daß sie weinte. Sie wußte gar nicht einmal so genau, warum. War es die Erschöpfung nach diesen langen Wochen harter Arbeit? War es die Tatsache, daß es ein Pestizid namens Mirex schon einmal gegeben hatte und daß es damals für die Dezimierung der Belugawale am St. Lorenz-Strom gesorgt hatte? War es die Vermutung, daß Mirex vielleicht genau zu dem Zweck erfunden worden war, nach der Vernichtung der Spinnen nur noch chemische Feinde der Agrarschädlinge übrigzulassen? Oder war es die deprimierende Gegenwart des Sees? Sie wehrte sich nicht gegen ihre Tränen, sie war zum Weinen hergekommen.
    … jetzt aber hat die große Masse ihre Vorbereitungen beendet: die Stunde ist da, wo in Scharen ausgeschwärmt wird. Nun stiebt von der Spitze des Geästs ein fortwährender Strom von Abreisenden, die losfahren wie Atomgeschosse und aufsteigen, als Garbe sich verteilen. Am Ende ist es das Schlußbukett eines Feuerwerks, ein Bündel gleichzeitig aufsteigender Raketen. Der Vergleich trifft selbst für den Glanz zu. In der Sonne wie strahlende Punkte funkelnd, sind die Spinnlein wahrlich die Funken einer lebendigen Pyrotechnik. Welch ein wundervoller Beginn, welch ein Eintritt in die Welt! An seinem Luftschifferfaden aufgehängt, steigt das Tierchen wie in einer Apotheose!…
    Was war das? Im Zweifel Fabre, dessen »Souvenirs entimologiques« sie in einem Anfall pubertären Wahnsinns einmal hatte auswendig lernen wollen, natürlich in Französisch. Belinda hatte als Jugendliche Französisch gelernt, um die Aufzeichnungen eines Insektenkundlers in der Provence aus dem 19. Jhdt. lesen zu können. Sie weinte immer noch. Den Ausflug der Epeira fasciata- Brut an ihren Flugfäden konnte man jedenfalls für die nächsten Jahre abschreiben, dafür würde Mirex schon sorgen. Es faßte sie jemand am Arm an, und als sie aufsah, sah sie in das Lächeln eines betrunkenen Alten, der sie offenbar trösten wollte.
    »Lady … Madam«, stammelte er. »Sie müssn nich weinn, wenn der Freund weg is. Da gibbs noch viele andere.« Er lachte. »Tsumm Beispiel mich!«
    Sie wehrte ihn, immer noch weinend, schwach mit der rechten Hand ab; weil er sehr betrunken war, kam er ins Stolpern und setzte sich hart auf den Hosenboden, direkt neben dem Landepoller. Erschrocken fing sie an zu laufen. Noch einen ganzen Straßenzug weiter fielen ihr die Flüche des Alten hinterher wie Steine.
     
    Bis jetzt war alles glatt gelaufen: Start, Abwurf der Stufen S-IC, S-II, Abwurf des Rettungsturms, Einschuß in die Parkbahn um die Erde, einmal um das blaue Leuchten des Mutterplaneten, kurzes Rendezvous mit der Raumstation »Infinity«, die in kaum fünf Kilometern Entfernung wie eine Glasqualle vorbeigezogen war, Beschleunigung auf den Mond zu, Übergang zum Trägheitsflug, Abtrennung der Stufe S-IVB, Herausziehen des Lunar Excursion Module: eine glatte Sache. Und vorher schon war es eine glatte Sache gewesen. Drei Monate vor dem geplanten Start waren die Gelder noch einmal geflossen, man hatte die Techniker im voraus bezahlen können, es war gelungen, die Beteiligung der CSS an der Mission herunterzuspielen (die

Weitere Kostenlose Bücher