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Wind & Der zweite Versuch

Wind & Der zweite Versuch

Titel: Wind & Der zweite Versuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Hammerschmitt
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»Algenwachstum unter Schwerelosigkeit« zu simulieren. Es gab lachhafte Interviews mit den Kretins von ATN, bei denen ein Hauptspaß der Interviewer immer darin bestand, über die wilden Parties zu spekulieren, die »unsere drei Helden« im All feierten. Vor allem die Anwesenheit einer Frau in der Kapsel schien die Phantasie zu beschäftigen und war im Grunde das Hauptthema der ansonsten ziemlich inhaltsleeren Gespräche. Ann hörte sich diesen Mist meist mit einem gequälten Lächeln an und war bei den Interviewern ansonsten wegen ihrer Ernsthaftigkeit und Schweigsamkeit nicht sehr beliebt. Ann drehte ihren Kopf Ron zu, seine Augen waren geschlossen, und er schien zu schlafen, aus irgendeinem Grund wußte sie aber genau, daß er noch wach war. Sie konnte seine überaus starke Körperspannung geradezu spüren. In diesem Moment mußte sie an Dobrowolski, Wolkow und Pazajew denken, die dreiköpfige Besatzung von Sojus 11, die man nur noch tot aus der Kapsel hatte ziehen können. Sie dachte nicht an all die anderen, die es getroffen hatte, nicht einmal an Armstrong und Aldrin, zu denen sie auf dem Weg war, sondern nur an die drei Russen, die damals gestorben waren, weil ein Ventil ihrer Kapsel versagt hatte, und sie kam sich mit einem Mal sehr zerbrechlich, beinahe gläsern vor. Sie löste die Gurte an ihrem Sitz und schwebte in die Höhe; durch eine ungeschickte Bewegung streifte sie mit ihrem Kopf die Wand der Kapsel. Sie besah sich die flackernden Instrumente, Treibstoffkontrolle, Fluglageanzeigegeräte, den blinden Spiegel des Periskops, all diese Scherzartikel, die möglichst detailgetreu die Instrumente von Apollo II nachahmten, und kam sich sehr eigenartig vor. Wenn sie wollte, konnte sie ohne weiteres alle wichtigen Werte gleich vor ihrem Auge aufflimmern lassen, direkt in der Sichtscheibe ihres Helms, aber diese Ausstellung altertümlicher Technologie aus einem Raumfahrtmuseum an dem Kontrollpanel hier war so nutzlos wie ein Schuh ohne Sohle. Die Zuschauer wollten Helden sehen, und Helden drückten Schalter und regelten wenigstens manchmal Vorgänge mit der Hand, für morgen war sogar die gefälschte Auswechselung eines ausgefallenen elektronischen Bauteils vorgesehen: der Mensch im Kampf mit der Technik, welch ein Spektakel. Sie fragte sich manchmal, für wie blöd die Kontaktgruppe die Zuschauer eigentlich hielt. Ann sah zu einem der fünf Fenster der Kapsel hinaus, überrascht stellte sie fest, daß Tropfen daran zu hingen schienen; als sie das Glas berührte, war es aber nur kalt, nicht feucht. Erst da kam sie der Sache auf den Grund: es mußte sich um gefrorenen Sauerstoff halten, der bei der Abstoßung der letzten Raketenstufe freigeworden war. Als sie sich umdrehte, bemerkte sie, daß Ron sie beobachtete, wahrscheinlich hatte er das die ganze Zeit getan. Mit dem Rücken zur Wand schwebte sie über ihm wie ein leicht geknicktes Komma.
    »Was ist los?« fragte er sie mit gedämpfter Stimme.
    »Nichts«, sagte sie. Ron war der von der CSS. Todsicher.
     
    »Nein«, sagte Willy und wollte die Verbindung flachlegen, aber Anita, die Verbindungsoffizierin im Hauptquartier, ließ nicht locker.
    »Hör zu! Hör mir wenigstens zu! Fehrenbach und seine Leute sitzen in Garmisch bei einem Bekloppten fest, der sich für einen Aztekenfürst hält.«
    Willy war müde. Er hatte gerade erst vor drei Stunden einen Selbstmörder nicht davon abhalten können, vom höchsten Gebäude des Klinikums zu springen. Irgendwie fragte er sich, warum er eigentlich für so fähig gehalten wurde, mit Leuten umzugehen, die nicht nur bescheuert waren, sondern auch noch eine Handgranate mitgebracht hatten oder ihren Kindern Messer an die Kehle hielten oder sonst etwas taten, das man nicht einfach auf sich selbst beruhen lassen konnte.
    »Ich dachte, Fehrenbach ist Antiterror? Geht denen die Arbeit aus? Ich kündige. Sag ihnen, sie sollen sich nett mit dem Aztekenfürsten unterhalten. Ich bin nicht motiviert.«
    »Du bist nicht motiviert? Du bist nicht motiviert? Das ganze Haus in Garmisch ist voller Leichen. 43 bis jetzt. Der Sektenheini sitzt auf einer Art Thron und hat einen Zünder in der Hand, und er macht keinen Spaß. Im Keller ist eine Bombe, die nimmt das ganze Haus mit, wenn er losläßt.«
    »Warum entschärfen sie das Ding nicht?«
    »Der Aztekenfürst war früher bei der Bundeswehr. Pioniereinheit, was weiß ich, irgend so ein Machoscheiß. Die Bombe ist sehr groß, und sie ist sehr kompliziert.«
    »Oh wie schön. Ich glaube,

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