Wind des Südens
betrachtete das Blätterdach über sich und beobachtete ein rosagraues Kakadu-Pärchen, das Rinde von einem Baum abriss, um die schmackhaften Insekten darunter freizulegen.
Mal seufzte auf. Schon immer hatte er diese feuchtgrünen Berge erkunden wollen, und nun war er hier – allerdings nicht unter den günstigsten Umständen. Dieser Regenwald mit seinen fremdartigen Pflanzen und den sonderbaren Blüten war wirklich wunderschön. Er wünschte, Jun Lien wäre dabei gewesen, damit er ihr alles zeigen und ihr die Vögel und all die anderen winzigen Geschöpfe hätte vorführen können, von denen es hier nur so wimmelte.
»Aber sie ist nicht da«, sagte er schließlich. »Ganz im Gegensatz zu Jake Tussup. Er befindet sich auf der anderen Seite dieses Berges. Denk immer an deinen Auftrag.«
Bald ritt er wieder, ein Packtier an sein Pferd gebunden, den Pfad entlang. Er hatte sich einer Gruppe von Männern angeschlossen, die den ganzen Weg aus Neuseeland hergekommen waren, in der Hoffnung, dass das Gold reichen würde, damit auch sie ihr Glück machen konnten.
Mal war sich bewusst, dass Tussup und seine Komplizen Palmer womöglich längst verlassen hatten. Doch ganz gleich, wo sie sich auch aufhielten, er würde sie finden; und wenn die Plakate ihn nicht weiterbrachten, würde er eben bei den Malaien anfangen.
Die auf gegenseitiges Misstrauen begründete Geschäftspartnerschaft war erfolgreich. Für die Nachbarn war Bartie Lee »Moores« Kuli, und er hatte nichts gegen dieses Arrangement einzuwenden. Mit seinem kurzen Versuch, den Boss zu spielen, war er nicht nur grandios gescheitert, sondern er lebte seitdem auch in Todesängsten, wenn er an seine ehemaligen Mitstreiter dachte. Obwohl ihn wegen der Umstände ihres Todes nicht der Funke eines Schuldgefühls plagte, malte er sich in seinem Aberglauben immer wieder aus, wie sie sich aus ihren Gräbern im Tunnel erhoben und mit dem Finger auf ihn zeigten. Und dann würden weiße Männer mit einem Seil kommen und ihn an einem der hohen, mageren Bäume aufknüpfen.
Bartie Lee hatte Geld, mehr Geld, als er je im Leben zu Gesicht bekommen hatte; bei der letzten Zählung waren es einhundertachtzig Pfund gewesen. Jake besaß dank seiner früheren Geschäftspartnerschaft mit dem hageren weißen Burschen noch viel mehr als das, und Bartie wollte sich am liebsten aus dem Staub machen. Aber Jake weigerte sich aufzugeben, solange sich noch Gold finden ließ.
»Wir sind doch jetzt reich, Jake. Lass uns abhauen.«
»Nein«, hatte Jake erwidert. »Das Geld ist rasch ausgegeben, und was dann? Wir müssen so viel rausholen, wie wir können, solange das noch möglich ist. Wenn du nicht mehr willst, dann geh. Ich hindere dich nicht daran.«
Also hielt Bartie weiter durch. Wenn er ehrlich war, verließ er sich inzwischen auf Jake, was das schwierige Geschäft des Goldschürfens und das Umtauschen ihrer Ausbeute in Bargeld anging. Jake war es, der entschieden hatte, dass sich in ihrer letzten Mine nichts mehr finden ließ, weshalb sie zur nächsten weitergezogen waren, die einen steten Ertrag abwarf. Jake füllte die Formulare aus, brachte das Gold zum Quetschwerk und kaufte die nötige Ausrüstung. Allerdings wich Bartie ihm dabei nicht von der Seite und sah aufmerksam zu, wenn ihr Gold in Geld gewechselt wurde. Jake brachte seinen Anteil zur Bank, aber Bartie Lee wollte davon nichts wissen. Er nahm seinen Verdienst und verstaute ihn, zusammen mit den Goldklumpen aus ihrer ersten Unternehmung, in einem Lederbeutel. Außerdem war da noch etwas, das Bartie Lee Jake gegenüber nie zugegeben hätte, damit sein Partner nicht noch mehr Macht über ihn bekam: Bartie fühlte sich sehr verunsichert und fehl am Platz. Als hätte er sich verirrt. Er hatte tatsächlich keine Ahnung, wo er sich befand, denn mit Landkarten hatte er nie viel anfangen können. Früher hatte er auf dem Reisfeld gearbeitet, später auf Schiffen, und zwar hauptsächlich unter Deck. Wenn das Schiff in einem Hafen anlegte, ging Bartie Lee mit seiner Heuer an Land, um sich zu amüsieren, und taumelte irgendwann betrunken wieder an Bord.
Aber hier! Nie würde er sein Entsetzen vergessen, als sie auf dem Weg zu den Goldfeldern den Gipfel des Berges erreicht hatten; endlich hatte er einen freien Blick über die Landschaft gehabt und bis zum Rand der Erde
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