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Wind des Südens

Titel: Wind des Südens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Shaw
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sehen können! Als er begann, zur See zu fahren, hatte der Horizont ihm Angst gemacht, doch seine Kameraden hatten ihm erklärt, sie würden nie so weit segeln. Damals war Bartie Lee zum ersten Mal aufgefallen, dass er gar nicht wusste, in welchem Teil der Erde er sich überhaupt befand. Geschweige denn, in welchem Land. Er war völlig ahnungslos. Dann hatte er die Weißen darüber spotten hören, wie ungebildet viele chinesische Kulis seien, so dass man ihnen sogar weismachen könnte, sie wären auf dem Mond. Und es war Bartie Lee sehr peinlich gewesen, dass auch er zu diesen Leuten gehörte.
            Deshalb hatte er sich geschworen, so lange wie möglich bei Jake zu bleiben. Es war zwar eine kleine Enttäuschung gewesen, als er erfahren hatte, dass Jake sein Geld auf der Bank aufbewahrte. Aber andererseits hatte es auch eine beruhigende Wirkung, da Bartie Lee so nicht in Versuchung geraten würde, seinen Partner zu töten, um alles Geld einzustreichen. Für den nun wohlhabenden Bartie war Jake gleichzeitig sein Herr und sein Diener. Inzwischen wartete er nur noch darauf, dass Jake endlich aufgab, damit sie gemeinsam von hier verschwinden konnten.
            Und dann sah Bartie Lee das Plakat. Obwohl er weder Englisch noch Chinesisch konnte, waren die Abbildungen unverkennbar.
            Wie vom Donner gerührt stand er da und starrte auf das Plakat. Zum Glück verbarg sein ausladender, spitz zulaufender Hut seine entsetzte Miene, denn das Gesicht auf dem Bild glich ihm bis hin zu dem dunklen Schnurrbart und dem langen, zu einem Knoten geschlungenen Haar. Er bemerkte, dass der Zeichner die Narbe an seiner rechten Augenbraue vergessen hatte, doch das Erstaunen blieb, wie der Mann das Porträt ohne seine, Bartie Lees, Anwesenheit überhaupt hatte anfertigen können. Er wollte sich schon umdrehen und jemanden fragen, worum es hier ging, als ihm einfiel, dass er solche Plakate schon öfter gesehen hatte. Aber wo?
            Dann erinnerte er sich, und er schlug bestürzt die Hände vors Gesicht: »Im Polizeirevier! An der Pinnwand vor dem Polizeirevier in Maytown! Verdammt! Bilder von bösen weißen Männern. Allerdings kleiner als das hier.«
            Rasch blickte Bartie sich um, riss dann das Bild vom Baum, stopfte es unter sein Hemd und rannte wie von wilden Furien gehetzt zurück zur Mine.
            Jake kochte gerade Eintopf am Lagerfeuer und wartete auf die Kartoffeln, die Bartie besorgen sollte. Als er sah, wie sein Kumpan mit leeren Händen auf ihn zugestürmt kam, runzelte er die Stirn.
            »Was ist passiert?«
            »Komm her«, rief Bartie und machte einen Satz in Jakes Zelt. »Sieh dir das an!«
            Er hielt Jake das Plakat hin. »Mein Gott!«, stieß dieser hervor, nachdem er einen Blick darauf geworfen hatte. »Wo hast du das her. Gütiger Himmel! Das sind ja wir beide. Und er hat mich sogar ohne Bart zeichnen lassen.«
            Bartie starrte den glatt rasierten Tussup an. »Du hast doch auch gar keinen Bart, Jake.«
            »Früher hatte ich aber einen! Verdammt, wir müssen hier verschwinden!«
            »Von wem ist dieses Bild, Jake?«
            »Willoughby.«
            »Wer ist Willoughby?«
            »Er war auf dem Schiff. Ein Passagier. Du Idiot hast versucht, seine Frau zu entführen. Das Chinesenmädchen. Wenn du sie in Ruhe gelassen hättest, würde er uns jetzt nicht verfolgen.«
            Die Abbildungen faszinierten Bartie. »Wer hat das gezeichnet, Jake? Wer weiß, wie wir beide aussehen? Wie konnte er uns zeichnen?«
            »Ich sagte doch schon, es war Willoughby. Ist doch egal, wie er es angestellt hat. Er hat eine Belohnung von tausend Pfund auf uns ausgesetzt. Gottverdammte tausend Pfund. Wir müssen abhauen.«
            »Wie will er uns kriegen, Jake? Wo ist er?«
            »Hier steht, wer Informationen über uns hat, soll sich bei der Polizei von Maytown melden. Bestimmt treibt sich Willoughby irgendwo in dieser Gegend rum und will uns aufscheuchen.«
            »Dann suchen wir ihn eben und machen ihn kalt, bevor er uns die Polizei auf den Hals hetzt.«
            »Red keinen Unsinn und pack deine Sachen. Wir müssen uns trennen. Leih mir ein bisschen Geld, Bartie, ich kann jetzt nicht zur Bank.«
            Bartie überlegte fieberhaft und versuchte, die plötzliche Wendung zu begreifen. »Nein, ich gehe mit dir. Du

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