Wind des Südens
seufzte der Sergeant. »Jetzt treiben die Burschen wenigstens nicht mehr in meinem Bezirk ihr Unwesen. Wenn Tussup nach Süden zu den Goldfeldern von Hodgkinson gezogen ist, kann sich die Polizei von Cairns mit ihm befassen.«
Jedoch hatte er, was die Plakate anging, seine Zweifel, und zwar wegen des Mordvorwurfs. Gesucht wegen Mordes. Soweit er es beurteilen konnte, war Bartie Lee vermutlich wirklich der Mörder des Bootsmanns. Aber Tussup? Vielleicht konnte man ihm ja Beihilfe vorwerfen. Es machte ganz den Eindruck, als ob Willoughby allen gemeinsam die Schuld am Tod seiner Frau gab, obwohl Jun Lien sämtlichen Berichten zufolge auf der Flucht vor den Meuterern ertrunken war. Schließlich war sie ja über Bord gesprungen.
»Ach, ich wünsche ihm alles Gute«, murmelte er und klappte die Akte zu.
In Changs Kopf hingegen war eine ungeschriebene Akte weit aufgeschlagen. Nachdem er sich vor Mr. Willoughby verbeugt hatte, machte er sich mit einem spöttischen Lächeln auf den Weg. Sein Freund hatte das Recht, schlecht gelaunt zu sein. Kein Problem. Er würde sich schon wieder beruhigen.
Als sein Diener ihm Lees Pferd brachte, entdeckte Chang zu seiner Freude einen Lederbeutel mit Geld und kleinen Goldklumpen, der unter dem Sattel versteckt gewesen war. Ein kleiner Bonus für die Mühen des heutigen Tages.
Chang hatte Mr. Willoughby die Wahrheit gesagt. Dank seiner guten Beziehungen hatte er erfahren, dass es für ihn durchaus eine standesgemäße Beschäftigung in den sagenumwobenen Goldfeldern gab. Und so hatte er, ausgerüstet mit diesem Wissen, keine Zeit verloren und war sofort in dieses fremde Land gereist, wo er von Mr. Li Weng Kwan im Empfang genommen wurde. Der reizende Herr hatte ihm seine Aufgaben erläutert.
»Bei uns gibt es Tätigkeitsbereiche, in denen Ihre Englischkenntnisse sehr vorteilhaft sein werden. Bis jetzt habe ich mich selbst um die Lohnbuchhaltung der Arbeiter gekümmert, doch das wird mir inzwischen zu anstrengend. Ich habe ja gar nicht geahnt, was für eine Unmenge von Gesetzen und Vorschriften man bei jedem Kuli einhalten muss. Deshalb beauftrage ich Sie, sich umgehend zu den Goldfeldern zu begeben …«
Chang wusste noch, dass er angesichts dieser verheißungsvollen Aussicht nicht mit der Wimper gezuckt hatte.
»… um alle Kulis zu überprüfen und sicherzugehen, dass sie registriert sind und die Steuern für sie abgeführt werden. Mein Bruder leitet die Minen. Er und seine Mitarbeiter sind für die Löhne und alles Weitere zuständig.«
Chang hatte diese Pflichten mit einer Verbeugung übernommen.
»Außerdem«, fuhr Mr. Li fort, »findet zurzeit eine spannende Veränderung statt. Diese Goldfelder werden als Palmer River bezeichnet. Nun ist an einem anderen Fluss weiter im Süden, dem Hodgkinson, noch mehr Gold entdeckt worden. Deshalb haben viele Goldgräber ihre Minen verlassen und sind dorthin gezogen. Wir haben beschlossen, bis auf weiteres zu bleiben. Die Moonflower-Minen sowie einige andere große Minen werfen noch gute Erträge ab. Inzwischen ist mein Bruder sehr beschäftigt mit den kleinen Minen, die von ihren Besitzern, die so schnell wie möglich zu den neuen Goldfeldern wollten, aufgegeben wurden. Er glaubt, dass sie möglicherweise noch Gold enthalten. Ihre Aufgabe besteht darin, Männer zur Arbeit in diesen verlassenen Minen einzuteilen, sie wieder zu eröffnen und sie bei den Behörden anzumelden. Nicht in allen wird Gold zu finden sein, doch mein Bruder meint, dass es in einigen noch etwas zu holen gibt. An Arbeitskräften besteht kein Mangel. Sie werden für jede Mine einen Vorarbeiter bestimmen, der Ihnen Bericht erstatten wird.«
Nachdem sie dieses Vorhaben eine Weile erörtert hatten, verbeugte sich Chang. »Ich fühle mich geehrt, dass man mir so viel Verantwortung überträgt. Die Frage ist nur, welche zusätzlichen Vergütungsansprüche entstehen könnten, falls eine der wieder eröffneten Minen, die ich zu diesem Zweck ausgewählt habe, tatsächlich noch Gold enthält.«
Mr. Li dachte lange über diese Anmerkung nach, ging leise durch den Raum und betrachtete eine üppige Pflanze, die vor dem Fenster wuchs.
»Schauen Sie sich die riesigen Blätter dieser Pflanze an. Sie wächst hier wild und heißt monstera deliciosa. Man sagte mir, ihre
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