Wind des Südens
um den Kerl der Polizei zu übergeben. Etwa ein Dutzend Kulis kam, um zu gaffen, und die Männer kicherten beim Anblick von Barties misslicher Lage. Doch das Lachen blieb ihnen im Halse stecken, als Bartie auf Chinesisch mit starkem Akzent zu rufen begann: »Helft mir. Dieser weiße Mann wird mich umbringen und euch ebenfalls. Ich habe viel Geld. Ich bezahle. Ihr wisst doch, dass ich jetzt reich bin. Ihr habt mein Pferd gesehen. Es gehört mir. Ich schenke es euch …«
»Nein, nein!«, versuchte Mal ihn in gebrochenem Chinesisch zu überschreien. »Das ist nicht wahr! Nein. Er lügt. Er ist ein Mörder!« Doch Bartie war den Kulis persönlich bekannt, und sie näherten sich Mal mit Stöcken bewaffnet.
Mal benutzte Bartie als Schutzschild und hielt ihm dabei weiter das Messer an die Kehle. Währenddessen überlegte er, ob er es wohl schaffen würde, rasch sein Gewehr zu holen, das immer noch im Busch versteckt war.
Doch die Zeit reichte nicht. Er musste Bartie wegstoßen, um sich zu verteidigen, als die Kulis ihn angriffen. Dann jedoch knallte ein Schuss, und alle, auch Mal, gingen in Deckung, obwohl er glaubte, dass ihm vielleicht die Straßenarbeiter zu Hilfe gekommen waren. Als keine weiteren Schüsse folgten, rappelten sich die Kulis wieder auf. Aber Mal stürmte bereits durch den Busch, griff nach seiner geladenen Waffe und eilte zurück, um seinen Gefangenen in Gewahrsam zu nehmen.
»Jetzt habe ich bessere Chancen«, murmelte er und schob das Messer zurück in den Lederhalfter am Knöchel.
»Alle mal herhören!«, brüllte er. »Tretet zurück! Wo ist der verdammte Malaie?«
Allerdings schien sich niemand mehr für ihn zu interessieren. Stattdessen wiesen die Kulis auf den nackten Bartie Lee, der auf dem Boden lag und aus einer Brustwunde blutete.
»War das der Schuss von gerade eben? Wurde er getroffen?«, rief Mal und fiel auf die Knie, um sich zu vergewissern. Doch Bartie Lee war sofort tot gewesen.
»Wer zum Teufel war das?«, schrie Mal die Kulis an, die nun zurückwichen.
»Das spielt doch keine Rolle, Mr. Willoughby«, meinte da eine ruhige, Mal vertraute Stimme. »Er war nichts weiter als Abschaum.«
Blinzelnd blickte Mal zu dem hoch gewachsenen Chinesen mit dem dünnen Schnurrbart und dem langen, dicken Zopf auf, der merkwürdigerweise westliche Kleidung trug: eine saubere Drillichhose, ein kariertes Hemd und Reitstiefel. Da sich die Ereignisse überstürzt hatten, dauerte es eine Weile, bis Mal klar wurde, dass er den Chinesen kannte.
»Gütiger Himmel! Das sind ja Sie, Chang! Was zum Teufel tun Sie hier? Haben Sie ihn erschossen? Verdammt, ich wollte ihn doch noch befragen …«
»Guten Tag, Mr. Willoughby.« Chang verbeugte sich. »Ich freue mich, dass Sie bei guter Gesundheit sind.« Nachdem er leise ein paar Worte an die Umstehenden gerichtet hatte, schickten diese sich an, die Leiche fortzubringen.
Aber Mal hielt sie zurück. »Ich möchte, dass diese Leiche zur Polizei von Maytown geschafft wird, Chang.«
»Wie Sie wollen.«
»Ich muss das melden«, verkündete Mal unverblümt.
»Ja, dass Sie ihn in Notwehr erschossen haben.«
»Was? Ich habe ihn nicht erschossen. Sie waren es! Oder etwa nicht?«
»Warum die kleinliche Streiterei? Es war unvermeidlich.«
»Das ist nicht wahr, verdammt! Aber jetzt ist es zu spät. Sie können der Polizei ja erzählen, dass Sie gezwungen waren zu schießen.«
»Es tut mir sehr Leid, Mr. Willoughby, aber das geht nicht. Für Chinesen ist es gefährlich, an irgendwelchen Schießereien beteiligt zu sein. Die hiesigen Gesetze sind in höchstem Maße unvernünftig. Sie hingegen müssten sich nicht verantworten. Und dazu noch die vielen Zeugen. Lassen Sie uns ein paar Schritte gehen. Es ist nicht besonders hübsch hier.«
Auf dem Rückweg zur Straße, wo er sein Pferd zurückgelassen hatte, erfuhr Mal, dass Chang als Aufseher bei der Moonflower-Minengesellschaft arbeitete.
»Und das soll ich glauben?«
»Natürlich. Ihre Geschichten über die Goldfelder haben mich faszinziert. Und deshalb habe ich beschlossen, mir das alles selbst anzusehen. Allerdings hatte ich keine Lust, die großen Unbequemlichkeiten zu
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