Wind des Südens
Teppich durch die Luft segelte und hierhin und dorthin schwebte, so dass sich schwer abschätzen ließ, wo sie letzendlich landen würde. Da er befürchtete, das gefährliche Stück Metall könnte auf ihn stürzen, hob er schützend die Arme, aber es war zu spät. Das Wellblech näherte sich blitzschnell, und Neville spürte einen Schlag auf dem Kopf. Im nächsten Moment lag er im weichen, feuchten Morast. Der Regen ist angenehm kühl, dachte er noch. Hoffentlich ist Es in ihrem Versteck unter der Treppe sicher. Bestimmt wird sie Mrs. Kassel ordentlich die Leviten lesen. Die gute alte Es. Eine Frau zum Pferdestehlen.
Neville lächelte. Ja. Er würde ihr das goldene Kleid kaufen. Es …
Als Neville und Mrs. Kassel nicht zurückkehrten, machten die anderen sich Sorgen. Allerdings vermutete Esme, dass sie den Weg quer durchs Hotel und zur Treppe vielleicht nicht geschafft und sich deshalb anderswo in Sicherheit gebracht hatten.
»So wie Sie und Neville beim letzten Mal«, meinte sie zu Franz, der das auch für wahrscheinlich hielt.
Allerdings hatten sich Esmes Befürchtungen nicht völlig gelegt: »Der Sturm hört sich viel schlimmer an als vorhin.«
»Nein, das stimmt nicht«, widersprach die Köchin. »Der erste Sturm war zehnmal so schlimm. Ich hatte eine Todesangst. Bilde ich es mir ein, oder wird der Boden wirklich immer nasser?«
»Das Wasser fließt unter der Tür durch«, erwiderte Esme in einem fröhlichen Ton, der nicht ihrer tatsächlichen Verfassung entsprach. »So besteht wenigstens keine Gefahr, dass wir uns hier drin häuslich einrichten.«
Und so warteten sie – angespannt, besorgt und gereizt –, bis der Wind irgendwann nachließ und das Gebäude zu knirschen aufhörte. Als es so weit war, krochen die Hausbewohner aus ihrem Versteck, streckten ihre Glieder und nahmen das nun noch mehr verwüstete Hotel in Augenschein.
Franz und Esme schoben Trümmer beiseite und hasteten zum hinteren Teil des Gebäudes, während das Personal versuchte, das Ausmaß des Schadens abzuschätzen.
»Die Kassels werden das Hotel Brett um Brett wieder aufbauen müssen, damit wirklich keine Einsturzgefahr mehr droht«, meinte die Köchin. »Und lauter neue Möbel müssen sie auch kaufen. Die alten sind restlos hinüber.«
»Sämtliche Bettwäsche hat Schlammflecken«, stellte ein Zimmermädchen bedrückt fest. »Sogar die guten Laken in der Mangel. Jetzt müssen wir alles noch einmal waschen, und selbst dann glaube ich nicht …«
Als sie Franz rufen hörten, liefen sie, das Schlimmste befürchtend, den Flur entlang in die Küche. Doch es stellte sich heraus, dass Mrs. Kassel sich auf den Boden in der Speisekammer gekauert hatte. Sie war zwar schmutzig und von oben bis unten mit Schlamm beschmiert, aber Franz und Mrs. Caporn halten ihr beim Aufstehen, umarmten sie, erklärten ihr, welche Angst sie um sie gehabt hätten, und küssten sie ab. Dann erkundigte sich Mrs. Caporn nach ihrem Mann.
»Der ist in Sicherheit«, erwiderte Mrs. Kassel und lehnte sich Hilfe suchend an Franz. »So ein guter Mensch. Er hat mich hereingeholt und mir geholfen. Er war dicht hinter mir.«
»Und wo steckt er jetzt?«, fragte Esme erleichtert.
»Ich konnte nicht mehr und bin einfach hier liegen geblieben. Mr. Caporn ist bestimmt weitergelaufen. Zur Treppe.«
Die anderen sahen sich an. »Nein, ist er nicht«, erwiderte Esme.
Mrs. Kassel blickte aus dem Fenster und stieß einen Schrei aus. »Sehen Sie. Der Baum ist umgestürzt. Der, an dem ich mich festgehalten habe.« Sie bekreuzigte sich. »O Franz, dem Himmel sei Dank für Mr. Caporn. Wenn er mich nicht geholt hätte, würde ich jetzt unter diesem Baum liegen. O mein Gott, noch nie im Leben hatte ich solche Angst. Es war ein Albtraum! Ich muss mich setzen, ich fühle mich ganz schwach.«
»Ich hole ihr einen Brandy«, erbot sich die Köchin. »Ich könnte selbst auch ein Schlückchen vertragen.«
Esme war vor das Hotel gelaufen, um Neville zu suchen. Als sie auf die Straße hinausspähte, sah sie ein paar Leute umhergehen. Zwei Männer begannen bereits, den Schutt von der Straße zu räumen. Im nächsten Moment kam ein halbes Dutzend riesiger Rinder mit spitzen Hörnern um die Ecke gestürmt und
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