Wind des Südens
und eine Frau kreischte, der Sturm käme zurück und sie müssten nun alle sterben.
Emilie hielt die Frau für hysterisch. Schließlich war der Sturm doch vorbei. Aber schon im nächsten Moment begann der sintflutartige Regen von neuem, und der Wind wurde stärker. Die Frau kreischte immer weiter, bis jemand sie anbrüllte, sie solle endlich den Mund halten, worauf sie schlagartig verstummte und nur noch laut vor sich hin schluchzte.
Der Backsteinstall überstand auch den nächsten Angriff, während Emilie völlig verwirrt auf ihrer Pritsche lag. Sie verstand die Welt nicht mehr, und als ein Arzt, begleitet von mehreren Krankenschwestern, hereineilte, um nach den Patienten zu sehen, lautete ihre erste Frage: »Kommt der Sturm jetzt noch einmal wieder?«
»Nein, nun ist es endgültig vorbei«, erwiderte der Arzt. »Wir bringen Sie jetzt ins Trockene und in ein warmes Bett. Anschließend schiene ich Ihren Arm. Die Schwester wird Ihre Daten aufnehmen und sich um Sie kümmern. Sie waren sehr tapfer. Tut mir Leid, dass wir Sie vorhin nicht gleich versorgen konnten, aber das holen wir nun alles nach. Versprochen.«
Emilie lächelte. »Die Leute sind so gut zu mir«, sagte sie zu der Schwester.
Sobald der Wirbelsturm ein für allemal weitergezogen war, eilte Jesse Field zum Krankenhaus, wo sich ein müder Dr. Fanning gerade im Büro der Oberschwester ausruhte.
»Möchten Sie eine Tasse Tee?«, fragte Fanning und zündete sich eine Zigarette an.
»Da hätte ich nichts dagegen.«
»Bedienen Sie sich. Was kann ich für Sie tun?«
»Ich wollte mich nur erkundigen, wie es bei Ihnen steht. Der zweite Sturm war so stark wie der erste. Ich hätte nie gedacht, dass er mit einer solchen Gewalt wiederkommt.«
»Aber so war es. Wir haben noch einige Patienten dazubekommen. Ein paar Leute hat es am Kopf erwischt, manche haben sogar eine Gehirnerschütterung. Zwei Jungen, die barfuß herumgelaufen sind, haben sich übel die Füße zerschnitten. Und Joey Bryants Zustand ist ziemlich ernst. Sein Pferd hat gescheut und ihn gegen den Kopf getreten. Außerdem wird auf der Jupiter ein Seemann vermisst. Man glaubt, er sei über Bord gegangen.« Fanning rümpfte die Nase. »Man glaubt! Ich meinerseits glaube, dass alle betrunken waren und keine Ahnung haben, was dem Mann zugestoßen ist.«
»Ich kümmere mich darum. Wo ist Joey?«
»Die Oberschwester ist bei ihm. Sie können ihn noch nicht besuchen.«
»Gut. Dann komme ich eben später wieder. Am besten gehe ich zuerst zur Jupiter und erkundige mich, ob sie den Burschen schon wiedergefunden haben. Wie heißt er denn?«
»Weiß ich nicht. Aber wir haben noch einen merkwürdigen Fall. Es ist eine Frau, die auf der Abteilung für die Sturmopfer liegt. Man hat sie unter der alten Landvermesserhütte gefunden und vor der zweiten Welle des Sturms hergebracht. Sie hat eine Menge blauer Flecke abgekriegt. Außerdem hat sie einen gebrochenen Arm, den ich geschient habe. Auf Bitte der Oberschwester habe ich mir auch ihre anderen Verletzungen angesehen.«
»Aha«, meinte Jesse höflich. Diese Frau war doch nur eine von vielen.
»Lassen Sie mich weitererzählen«, fuhr Fanning fort. »Die Frau hat diese Verletzungen nicht alle beim Sturm davongetragen. Sie wurde verprügelt, und zwar ziemlich heftig. Striemen von einem Streichriemen sind mir in meinem Beruf schon häufig untergekommen, und unsere Patientin ist ein klassisches Beispiel.«
»Und wer hat sie geschlagen?«
»Jetzt wird es interessant. Ihrer Aussage nach wurde sie während des Sturmes verletzt, was heißt, dass es weder ein Überfall noch ein Einbruch gewesen sein konnte, denn das hätte sie uns doch sicher erzählt. Ich fresse einen Besen, wenn der Streichriemen nicht auf den Ehemann hinweist.«
»Schweinekerl! Wer ist es?«
»Dreimal dürfen Sie raten.« Grinsend zündete Fanning sich die nächste Zigarette an. »Unser vorbildlicher Neubürger Mr. Hillier! Clive Hillier! Er war heute Morgen hier, voller Angst um sie und der Inbegriff eines liebenden Gatten. Er hat seine Frau bemuttert wie eine Glucke.« Fanning lachte auf. »Die Oberschwester meint, jemand sollte ihm eins mit dem Nudelholz überbraten. Sie hat
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