Wind des Südens
ihn sofort vor die Tür gesetzt. Doch die Frau schweigt weiterhin und wiederholt nur, die Hütte sei über ihr zusammengestürzt.«
Jesse machte sich Sorgen um Emilie. »Wie geht es ihr jetzt?«
»Sie ist erschöpft und am Ende ihrer Kräfte. Ich habe Anweisung gegeben, sie ein paar Tage lang hierzubehalten. Aber wagen Sie es nicht, mich in dieser Sache in Ihrem Artikel zu zitieren, Jesse.«
»Keine Angst, wir berichten nicht über Familienstreitigkeiten. Und wie sieht es sonst im Krankenhaus aus? Wie viele zusätzliche Patienten mussten Sie schätzungsweise wegen des Zyklons behandeln?«
»Ich glaube, es sind zweiundzwanzig. Einer ist tot, einer wird vermisst. Wir sind noch mal mit einem blauen Auge davongekommen.«
»Danke. Dann mache ich mich jetzt auf den Weg.« Jesse eilte hinaus, blieb auf dem Flur stehen und überlegte, was er nun tun sollte. Eigentlich war ihm Emilies missliche Lage wichtiger als die reißerischen Artikel über den Wirbelsturm, die er so bald wie möglich abgeben musste. Am liebsten hätte er Emilie sofort besucht, um ihr seine Hilfe anzubieten und ihr Gesellschaft zu leisten. Dann jedoch entschied er sich anders. Ganz bestimmt brauchte sie jetzt vor allem Ruhe.
Aber was war mit Hillier? Hatte er sie wirklich geschlagen? Obwohl Jesse nicht an dem Urteil des alten Dr. Fanning zweifelte, war es unvorstellbar für ihn, wie jemand diese reizende junge Frau schlagen könnte. Sie war so sanft, so zurückhaltend … Konnte man Clive so etwas tatsächlich zutrauen?
Und dann fiel ihm Mal ein. Emilie war vor ihrer Ehe seine Freundin gewesen. Und wenn Jesse sich recht erinnerte, war Clive nicht sonderlich glücklich gewesen, seinen alten Freund im Hotel zu sehen.
Ob er Mal von Emilies Lage erzählen sollte? Schließlich war Mal mit ihr gut bekannt. Er würde schon herauskriegen, was wirklich geschehen war.
»Ja, und die Lage noch verschlimmern«, murmelte er dann. Warum war es nur so schwierig, bei ehelichen Auseinandersetzungen eine Lösung zu finden?
Gerade wollte Jesse zur Hintertür hinausschlüpfen und über die Koppeln die Abkürzung zur Zeitungsredaktion nehmen – bis auf ein paar Fensterscheiben und die Eingangstür aus Glas hatte sie den Sturm überstanden –, als er an der Krankenhauspforte einen Tumult vernahm. Sofort änderte er seine Pläne und eilte los, um nachzusehen, was geschehen war. Die Oberschwester hastete vor ihm her.
Jemand rief nach dem Arzt. Er müsse unbedingt kommen, und zwar schnell.
Das Hotel Alexandra lag zwar in Trümmern, aber man war besser vorbereitet, als der Sturm das zweite Mal zuschlug. Der Boden des Schutzraums unter der Treppe war trockengewischt worden, und man hatte Decken über die feuchten Dielenbretter gebreitet. Ein Krug Wasser und ein Schöpfbecher standen wegen der Hitze bereit, und als die Feuerglocke der Stadt zur Warnung zu läuten begann, fanden sich alle Hausbewohner im Versteck ein.
»Wo ist meine Frau?«, rief Franz, als sie sich wieder in der Dunkelheit zusammendrängten.
»Sie sitzt hinten«, erwiderte Esme. »Ich habe sie selbst mitgebracht.«
»Nein, tut sie nicht«, widersprach eines der Hausmädchen. »Sie hat die Hühner vergessen und ist rausgelaufen, um sie einzusperren.«
Esme traute ihren Ohren nicht. Schließlich hatte sie Mrs. Kassel mehr oder weniger gewaltsam von ihrer Arbeit in der Küche wegholen und sie zu den anderen in den Schutzraum zerren müssen. »Sind Sie hier, Mrs. Kassel?«, fragte sie deshalb und rechnete ganz sicher mit einer Antwort.
Als nichts zu hören war, wollte Franz das Versteck verlassen. Aber Neville hielt ihn zurück. »Nein, bleiben Sie hier. Ich bin am nächsten bei der Tür. Ich hole sie.«
Er war fort, ehe jemand ihn zurückhalten konnte. Das Heulen des Windes übertönend, rief er Esme zu, sie solle die kleine Tür schließen.
Als Neville den Flur entlang in die Küche lief, fühlte er sich wie bei einem Erdbeben. Der Sturm tobte mit beängstigender Macht. Schon in der Küche war es kaum auszuhalten, weil das gesamte Gebäude wackelte, aber draußen konnte er nur einen Wirbel aus Trümmern und Wassermassen erkennen. Unwillkürlich duckte er sich in die kleine
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