Wind des Südens
fortsetzen, denn schließlich durfte er nicht zulassen, dass es zur Ruine verfiel.
Als er sich aus dem Sessel aufrappelte, um Holz nachzulegen, protestierten seine verletzten Brustmuskeln. Er griff nach dem Schürhaken, stöhnte vor Schmerz auf und erinnerte sich an die Worte des Arztes, dass diese Dinge eben ihre Zeit brauchten. Doch auch das konnte ihn nicht trösten. Er ließ sich wieder in den Sessel sinken, breitete die Decke über seine Knie und bemerkte, dass es rasch dunkel wurde. Die Nacht hatte ihre Gefahren. Sicher wussten die Hawthornes, dass er das Krankenhaus verlassen hatte. Und die Gelegenheit war günstig, dass einer von ihnen Mrs. Hawthornes Drohung wahr machte. Inzwischen zweifelte Jake nicht mehr daran, dass es sich bei den Schüssen um einen Racheakt handelte, mit dem eine alte Rechnung beglichen werden sollte. Er musste auf der Hut sein. Als er diesmal aus dem Sessel aufstand, zwang er sich, nicht auf die stechenden Schmerzen zu achten. Er schleppte sich ins Schlafzimmer, wo er seine Pistole und die Munition unter einem Dielenbrett hervorholte. Nachdem er in die Küche zurückgekehrt war, rückte er den Sessel vom Fenster weg und mit dem Rücken zum Ofen. So saß er die ganze unendlich lange Nacht da und zuckte bei jeden Geräusch zusammen, bis er die Kakadus rufen hörte, deren lautes Schreien und Kichern den herbeigesehnten Morgen ankündigte.
Als Clara, wie Mrs. Hawthorne eine hagere Bauersfrau, die keine Mätzchen duldete, Jake mittags schlafend im Bett antraf, freute sie sich, dass er sich so folgsam schonte. Es war ihm zu peinlich, zuzugeben, dass er die ganze Nacht kein Auge zugetan und stattdessen Ausschau nach möglichen Feinden gehalten hatte.
»So kann das nicht weitergehen«, sagte er sich, während er sich eine Scheibe von dem gepökelten Rindfleisch abschnitt, das sie ihm gebracht hatte. »Ich lasse mich nicht ins Bockshorn jagen.« Er überlegte, dass seine Gegner vielleicht einfach nur darauf warteten, dass er die Stadt verließ. Schließlich gab es ja keinen Grund zur Eile.
»Ach, woher soll ich das wissen?«, fragte er sich dann ärgerlich. »Ich weigere mich, noch eine Nacht Wache zu schieben, so viel steht fest. Ich halte einfach meine Pistole griffbereit.« Allerdings musste er zugeben, dass die Waffe ihm auch nichts nützen würde, denn er war so erschöpft, dass er in der folgenden Nacht schlief wie ein Stein.
Jake war fest entschlossen, so schnell wie möglich wieder auf die Beine zu kommen. Um seine Muskeln zu kräftigen, fing er an, Spaziergänge bis zum hinteren Gartenzaun zu unternehmen. Er aß reichlich, ging jeden Tag ein Stückchen weiter und ruhte sich dann wieder aus. So verfuhr er täglich, und als er sich ein wenig erholt hatte, wagte er sich an leichtere Arbeiten rund um sein Haus. Bald jedoch wurde Jake klar, dass seine Fachkenntnissse nicht ausreichten, um das Haus ordentlich instand zu setzen – selbst wenn er im Vollbesitz seiner Körperkraft gewesen wäre. Und so beschloss er, einen Schreiner zu beschäftigen.
Von diesem Tag an wendete sich Jakes Leben zum Besseren. Der Schreiner, ein tüchtiger Mann, wies ihn darauf hin, dass er die Sache völlig falsch angegangen war. Er bestand darauf, sich mit ihm zusammenzusetzen, und erkundigte sich zunächst, welche Summe Jake für den Umbau erübrigen konnte. Nachdem geklärt war, dass ausreichend Geld vorhanden war, zeichnete er einen Plan für ein größeres Farmhaus, der Jake sehr gut gefiel. Da ihm in diesen Dingen die Vorstellungsgabe fehlte, hatte er nur beabsichtigt, das alte Haus wieder bewohnbar zu machen. Nun jedoch würde hier ein Gebäude entstehen, auf das man stolz sein konnte.
Wenn Jake allein war und sich gestattete, die Vergangenheit Revue passieren zu lassen, malte er sich aus, wie gern seine Eltern in einem so schönen Haus gewohnt hätten, und er ertappte sich dabei, dass er weinte. Er bereute von Herzen, was er seinen Eltern angetan hatte; schließlich hatten sie ihn so sehr geliebt, dass sie … Da er es nicht ertragen konnte, an das Opfer zu denken, das sein Vater für ihn gebracht hatte, wandte er sich zum Spiegel und stellte erschrocken fest, dass er ihm wie aus dem Gesicht geschnitten war. Jake kam zu dem Schluss, dass es an der Zeit war, sich schonungslos mit den Geschehnissen von damals auseinander zu setzen und keine Ausflüchte zuzulassen. Er hatte den Polizisten
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