Wind des Südens
erst später in einem Gespräch mit Carl Muller.
»Durchaus möglich«, erwiderte Carl. »Damals wurde gemunkelt, dass in Wirklichkeit Jake Sergeant Hawthorne erschossen hat. Aber er war nur ein junger Bursche und gab schließlich zu, sein Vater wäre es gewesen.« Er seufzte auf. »Man weiß nie, welchen Groll Familien hinter verschlossenen Türen hegen. Vielleicht hat wirklich einer der Hawthorne-Jungs versucht, Jake umzulegen. Nur welcher? Es würde ganz schön schwierig werden, es einem von ihnen nachzuweisen. Außerdem ist Billy ein Kollege. Vermutlich wollte Mrs. Hawthorne ihm nicht drohen, sondern den Frieden wahren und verhindern, dass Jake sich rächt.«
Muller dachte über den Einwand nach. »Wurden in der Stadt zu diesem Zeitpunkt noch andere Fremde gesehen?«
»Nein.« Der Sergeant schüttelte den Kopf. »Ich glaube, ich werde einfach abwarten, wie Tussup sich verhält. Offenbar ist er eine zwielichtige Gestalt, und es kann sicher nicht schaden, mehr über ihn zu wissen.«
Wie sich herausstellte, geschah nichts, was den Sergeant interessiert hätte. In die verschlafene Kleinstadt kehrte wieder der Alltag ein, und bald war Gras über die Sache gewachsen. Der nächste Grund zur Aufregung entstand erst, als ein Herr auf einem Fahrrad die Hauptstraße entlangstrampelte, ein erstaunlicher Anblick, denn ein solches Gefährt hatte man hier noch nie gesehen.
Jake hatte niemals im Leben ein Fahrrad zu Gesicht bekommen und auch kein Interesse an diesem Wunderwerk der Technik, über das das ganze Krankenhaus sprach. Ihm war es endlich gelungen, den Arzt zu überreden, ihn zu entlassen.
»Sie sind immer noch ziemlich schwach auf den Beinen«, warnte der Arzt. »Sie müssen es langsam angehen. Halten Sie sich warm. Keine körperliche Anstrengung. Drei reichhaltige Mahlzeiten täglich, damit Sie wieder zu Kräften kommen. Und jeden Abend eine heiße Milch mit Rum. Wie wollen Sie das allein in Ihrer Hütte anstellen?«
»Ich schaffe das schon. Zu Hause wird es mir bald besser gehen.«
»Meinetwegen. Ich denke darüber nach.«
Und er tat mehr als das. Einige Tage später brachte er Jake in seiner Kutsche nach Hause und bat Boysies Mutter, für den Kranken zu kochen. Außerdem wies er Boysie an, Mr. Tussups Pferd zurückzubringen.
Als der Junge vor seiner Tür eintraf, ging Jake gerade langsam durch das Haus. Er war froh, dass jemand so freundlich gewesen war, eine Plane vor das Loch in der Wand zu hängen, das er selbst vor über zwei Wochen geschlagen hatte.
»Also hat doch nicht Willoughby auf Sie geschossen«, meinte Boysie.
»Nein, ich habe mich geirrt«, murmelte Jake.
»Wer war es dann?«
»Ich weiß nicht.«
»In der Stadt heißt es, es wäre ein Bandit gewesen, Mister.«
»Das kann ich mir denken. Was sagt man denn sonst noch?«
»Dass Sie früher mal hier gewohnt haben, und nur gekommen sind, um das Haus zu reparieren, und anschließend wieder zur See fahren wollen.«
»Wer behauptet das?«
»Das hat Mrs. Hawthorne meiner Mutter erzählt.«
»Hat sie das?«
»Ja. Aber zuerst müssen Sie wieder reiten können, richtig? Also habe ich mir gedacht, dass ich bis dahin ja herkommen und Ihr Pferd reiten könnte, damit es bewegt wird.«
»Das wäre nett, Boysie. Du könntest auch ein paar Botengänge für mich erledigen und dir ein bisschen Taschengeld verdienen. Einverstanden?«
»Gern«, erwiderte Boysie begeistert. Die Sommersprossen in seinem kleinen runden Gesicht leuchteten.
Später am Nachmittg saß Jake in einem alten Lehnsessel am Ofen, um sich zu wärmen. Neben ihm stand ein Krug heiße Milch mit einem kräftigen Schuss Rum. Ein Glück, dass er dem Krankenhaus und dem Fraß, den man dort als Essen bezeichnete, entkommen war.
Boysie hatte ihm Proviant gebracht. Seine Mutter Clara hatte einen Eintopf aus Lamm und Gemüse gekocht, und Jake griff zu, als hätte er noch nie im Leben eine anständige Mahlzeit gegessen. Anschließend fühlte er sich ein bisschen besser. Er war nur ein wenig kurzatmig und wackelig auf den Beinen, doch das würde vergehen. Dann musste er unbedingt die Arbeiten am Haus
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