Wind des Südens
jetzt besorgen Sie mir gefälligst einen Anwalt.«
Bereits wenige Tage später berichteten die Zeitungen in Sydney über die Schießerei in Goulburn. Lavinia entdeckte die Meldung zuerst.
»Gütiger Himmel. Jake Tussup wurde angeschossen!«, rief sie und eilte hinaus, um es Constance zu erzählen. »Er kämpft im Krankenhaus von Goulburn um sein Leben! Offenbar hat Mal auf ihn geschossen! Der Himmel steh uns bei. In was für einer Welt wir leben! Ich muss sofort an Raymond schreiben.«
Constance war bestürzter, als Lavinia erwartet hatte. »Zeigen Sie mir die Zeitung«, forderte sie. »Das kann nicht stimmen. Warum sollte Mal auf ihn schießen? Er wollte ihn doch verhaften und vor Gericht stellen lassen.«
»Vermutlich hat der junge Mann den Tod seiner Frau nicht verkraftet«, meinte ihr Vater. »Es ist verständlich, dass die Wut nach allem, was er durchgemacht hat, schließlich siegen musste.«
»Wir müssen hinfahren und uns selbst vergewissern«, sagte Constance. »Wir können den Zug nehmen.«
»Sie?«, verwunderte sich Lavinia. »Sie wollen hinfahren? Warum, um Himmels willen.«
»Weil es meine Pflicht ist. Vater, du wirst mich doch begleiten, oder?«
»Ganz bestimmt nicht. Und ich habe beschlossen, dass du auf keinen Fall vor Gericht in einem Prozess erscheinen wirst, der mit diesem Burschen zu tun hat.«
»Aber ich muss! Mals Anwalt wird Tussup gewisse Fragen stellen, die meine Situation betreffen.« Sie errötete. »Das habe ich dir doch erklärt, Vater.«
»Allerdings«, gab er unwirsch zurück. »Ich halte es jedoch nicht für nötig, dass du während der Erörterung eines derart anstößigen Themas anwesend bist.«
Mr. Somerville fiel ihnen ins Wort. »In der Zeitung steht nicht, dass Mal auf diesen Kerl geschossen hat. Es heißt nur, es sei vor zwei Tagen geschehen. Da kann Mal noch gar nicht in Goulburn gewesen sein. Wir dürfen keine voreiligen Schlüsse ziehen.«
»Ganz richtig, Sir«, erwiderte Percy Feltham. »Wenn Sie uns jetzt entschuldigen, möchte ich gern ein Wort mit dir auf der Terrasse sprechen, Constance. Sei bitte so gut. Und zwar auf der Stelle«, fügte er hinzu.
Ängstlich folgte sie ihm durch die Glastüren nach draußen auf die Terrasse, von der aus man Blick auf die Bucht hatte. »Was gibt es?«
»Ich habe genug von diesem Tussup und möchte das Thema ein für allemal erledigt sehen.«
»Nach dem Prozess, meinst du?«
»Nein, jetzt. Wie ich es verstehe, möchte Mr. Willoughby, dass du eine Aussage machst. Auch ich will, dass dieser Schurke bestraft wird, jedoch nicht auf deine Kosten. Du wirst dich nicht erniedrigen lassen, indem du vor Gericht erscheinst.«
»Aber ich bin Zeugin.«
»Leider. Aber ich habe dich reden hören. Offenbar schwankst du, was deinen Eindruck von diesem Tussup angeht, und du bist nicht in der Lage, eine Befragung vor Gericht durchzustehen. Ständig wiederholst du, er hätte dich vor den Malaien gerettet.«
»Das hat er auch. Und wenn ich ihn sehe, werde ich mich bei ihm bedanken.«
»Ach ja? Und gleichzeitig willst du aussagen, dass er dich entführt hat! Du erwartest von ihm, dass er dir den Gefallen tut und der ganzen Welt erzählt, du wärst bei diesen Seeleuten in guten Händen gewesen. Die Scheidung von Horwood ist schon Skandal genug, da braucht es keinen Strafprozess mehr. Ich werde an Mr. Willoughby schreiben und dich entschuldigen. Und damit wäre die Sache abgeschlossen. Wir reisen mit dem nächsten Schiff nach London, je früher, desto besser!«
»Aber …«
»Kein Aber, mein Kind! Ich habe bereits mit Lavinia gesprochen. Sie wird dir deine Sachen aus Brisbane nachschicken. Und jetzt geh und schreib ihr genau, was sie schicken soll, während ich unsere Schiffspassagen buche.«
Constance eilte in ihr Zimmer und ließ sich schwer aufs Bett fallen. Sie hatte das unbestimmte Gefühl, etwas verloren zu haben, und dachte an Jake Tussup. Obwohl sie kaum wagte, es sich selbst einzugestehen, war ihr Vater der Wahrheit sehr nahe gekommen: Sie hatte Mals Bitte, vor Gericht zu erscheinen, so rasch zugestimmt, weil sie hoffte, dort Tussup wiederzusehen. Da sie wusste, dass ihre
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