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Wind des Südens

Titel: Wind des Südens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Shaw
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dass er jemanden traf, der sie gekannt und geliebt hatte. Es schien den Damm, der seine Gefühle zurückgehalten hatte, so sehr einzureißen, dass er Angst hatte fortzufahren, Angst hatte vor dem Schmerz, der noch vor ihm lag.
             
            Zina beschrieb ihnen den Weg zu den Häusern, in denen Jun Liens Familie derzeit lebte, über hundert Meilen entfernt im Bergland, wo sie sich besser gegen Angriffe verteidigen konnten, doch Mal ließ sich nicht abschrecken.
            »Wir ziehen weiter«, sagte er zu Chang. »Es ist gar nicht so weit, wie ich befürchtet hatte.«
            Die Haushälterin gab Anweisung, Chang, die Kulis und die Wachen zu verköstigen und ihrem Status gemäß unterzubringen, dann geleitete sie Mal zu einem der größeren Schlafzimmer im Obergeschoss.
            Er war froh, die vielen dicken Kleidungsstücke ablegen zu können, die, wie er fand, zwar lästig, in dem kalten Klima aber notwendig waren. Er wickelte sich in eine Decke, um zu schlafen, als eine Bedienstete den Raum betrat. Ohne ihn zu beachten, sammelte sie seine gesamte Kleidung ein, auch die in seiner Satteltasche, und verschwand damit.
            Mal lächelte. Dieses Ritual hatte er ganz vergessen. Einige Teile würden nun gewaschen und gebügelt, einige gründlich ausgeklopft, je nach Material. Knöpfe würden ersetzt, Risse geflickt. Jetzt wusste er diese Sitte besser zu schätzen als vorher, denn Chang hatte die chinesische Kleidung für ihn ausgewählt und darauf gepocht, dass er zu seiner Audienz mit Jun Liens Familie so gut wie eben möglich auszusehen habe. Wie nicht anders erwartet waren die leinenen Unterkleider, sein Wams und seine Hose von bester Qualität – und sehr, sehr teuer! Der mit Pelz gefütterte Ledermantel und die hohen Stiefel, die Pelzmütze mit Ohrenklappen wurden noch am selben Tag gekauft, im selben Geschäft, in dem Chang offenbar Provision bekam.
            Chang war entzückt. »Unsere ausgezeichnete Mode kleidet Sie viel besser als die westliche«, schwärmte er. »Und die Mütze ist ausgesprochen vornehm.«
            »Finden Sie?«, fragte Mal.
            »Ja, wirklich.«
            »Sie ist viel feiner gearbeitet und wärmer als Ihre.«
            »Ja, das stimmt.«
            »Nun, dann kaufen wir auch eine für Sie.«
            »Sir, das geht doch nicht!«
            »Warum nicht? Wir nehmen zwei.«
            Mal konnte seine Gefühle schlecht in Worte fassen. Er wusste nicht, wie er Chang seine Dankbarkeit für die Hilfe und seine Gesellschaft ausdrücken sollte, und hoffte, sie ihm durch das Geschenk zu zeigen.
            Dann sah er, dass es ihm gelungen war. Chang verkaufte seine alte Mütze an einen Straßenhändler und trug die neue mit großem Stolz.
             
            Eine weitere Dienerin kam mit einem warmen Bademantel für Mal und geleitete ihn zum Bad, wo er sie entließ. Es war ihm nicht sonderlich angenehm, sich von weiblichen Dienstboten baden zu lassen, wenngleich Jun Lien sein prüdes Verhalten belustigt hatte. »Noch immer führen alle Gedanken zu meiner geliebten Jun Lien«, sagte er zu sich selbst, als er in die gekachelte warme Badewanne stieg. »Sie wird für immer in meinem Herzen sein.«
            Das Abendessen wurde ihm auf seinem Zimmer serviert: Hühnersuppe mit Klößen, scharf gewürztes Schweinefleisch, Kohl und Rindsrouladen … und noch mehr Tee. Und kurz nachdem er seine zweite Tasse Tee geleert und auch die letzte Rindsroulade verspeist hatte, schlief er fest ein.
            Am Morgen brachte man ihm seine Kleider zurück. Er zog sich rasch an und begab sich auf die Suche nach Zina, doch als er am Fuß der Treppe angelangt war, hörte er ein Hämmern an dem schweren Tor.
            Er sah, wie Zinas Diener die kleine, in das Tor eingelassene Tür öffnete, mit dem Davorstehenden sprach und zurückkehrte, um zu melden, dass der Besucher Mr. Willoughby sprechen wolle.
            »In Ordnung«, sagte Mal und schickte sich an, den Hof zu überqueren, wurde jedoch von Chang aufgehalten.
            »Wer ist es?«, fragte er Mal.
            »Ich weiß es nicht. Das will ich ja gerade herausfinden.«
            »Nein. Sie bleiben hier.« Chang forderte die beiden Wachen auf, ihn zu begleiten, und ging zur Tür.
            Es folgte ein rascher Austausch, dann schlug Chang die Tür zu und verweigerte dem

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