Wind des Südens
zurück. Schließlich hatte der Mann, wie Flynn ihm erklärt hatte, gute Gründe, um von den Autoritäten in Brisbane die Nase voll zu haben.
»Er hat in Brisbane um Verstärkung für die Polizei gebettelt, und was kriegt er? Zollbeamte und die Mittel, um am Fluss ein schönes Zollhaus zu bauen.« Er lachte. »Nehmen Sie’s nicht übel, Sir, aber ist es nicht typisch für die Regierung, zuallererst ans Geld zu denken? Die Goldsteuern bringen ihr ein hübsches Sümmchen ein.«
Die Erinnerung an diese Bemerkung ärgerte Raymond an diesem Morgen noch mehr, und er schwor sich, den Premierminister gleich bei seiner Rückkehr auf diesen Punkt anzusprechen, doch im Augenblick konnte er es sich einfach nicht leisten, sich aus der Stadt jagen zu lassen. In Brisbane würde man ihn auslachen. Und was das für Schlagzeilen ergäbe!
Er hörte ein zaghaftes Klopfen an seiner Tür, öffnete und stand vor einer jungen Frau ohne Hut oder Haube.
»Was kann ich für Sie tun, Miss?«, fragte er, neugierig geworden ob dieser frühen Störung.
Sie war nervös. »Kann ich Sie sprechen, Euer Ehren?«, flüsterte sie.
»Ja, bitte?«
»Es geht um das Schiff und die Chinesen und die Frauen.«
»Die China Belle? Haben Sie etwas gehört?«
»Es heißt, es gibt eine Belohnung. Wofür genau?«
Jetzt überwand sie ihre Nervosität und musterte ihn mit einem aufgeregten Glitzern in den Augen.
»Von einer Belohnung weiß ich nichts, aber falls Sie Informationen haben, die uns helfen, Mrs. Horwood zu finden, wird man sich bestimmt erkenntlich zeigen.«
Sie wich kaum merklich zurück. »O Gott. Ich weiß nicht recht. Warum sollte ich glauben, dass man sich wirklich erkenntlich zeigt?«
»Falls Sie uns helfen können, Miss, dann müssen Sie es tun. Und ich betrachte es als meine Pflicht, dafür zu sorgen, dass Sie entsprechend belohnt werden.«
»Tja, aber kann ich Ihnen trauen?«
»Das können Sie nun wirklich. Mein Name ist Raymond Lewis. Ich bin Abgeordneter des Parlaments von Queensland.«
Sie zögerte immer noch. »Hören Sie«, sagte sie dann. »Schreiben Sie mir das auf – die Sache mit der Belohnung –, und unterschreiben Sie mit Ihrem Namen.«
»In Ordnung.« Er seufzte, nahm an, dass es sich doch wieder nur um Zeitverschwendung handelte, aber jede noch so kleine Spur musste ernst genommen werden. »Wie heißen Sie, Miss?«
»Lottie Jensen. Ich bin mit meinem Bruder hier. Ich bin … Krankenschwester, also glauben Sie bitte nicht, ich wäre keine anständige Frau, wie die meisten Flittchen in der Stadt.«
»Das würde mir nicht im Traum einfallen«, brummte er, griff zu Papier und Feder und schrieb: »Die Person, die …« und versprach eine Belohnung für ihre Hilfe.
Misstrauisch betrachtete sie das Blatt. »Das reicht nicht. Wem soll ich das vorlegen? Dem hiesigen Bankdirektor? Der würde mich rausschmeißen. Und Sie glauben doch nicht, dass Sergeant Gooding genug Geld in den Taschen hat. Nein, das reicht nicht. Sie müssen schreiben, wem ich das hier vorlegen soll.«
Raymond seufzte. Inzwischen war er fest überzeugt, dass diese Person ihm unter falschen Vorgaben Geld abluchsen wollte.
»Nun gut! Geben Sie mir das Schreiben zurück, und wenn Sie tatsächlich brauchbare Informationen über Mrs. Horwood haben, gehe ich zur Bank und hebe genug Geld ab, um Sie aus meiner eigenen Tasche zu belohnen.«
»Das klingt schon besser. Aber ich glaube, das Schreiben möchte ich lieber behalten, wenn es Ihnen nichts ausmacht, Sir. Bis ich die Belohnung habe, meine ich. Und wie hoch wäre die wohl?«
»Lieber Himmel, Miss Jensen, das weiß ich doch nicht. Fünfzig Pfund vielleicht, oder hundert. Ich habe wirklich keine Vorstellung.«
»Hundert würden reichen, Sir. Glatte hundert. Kommen Sie jetzt mit, schnell, schnell …«
Sie hüpfte vor Aufregung von einem Fuß auf den anderen und zog ihn am Arm hinaus in den kahlen Flur.
»Moment, Miss. Moment. Mein Hut.«
»Sie brauchen keinen Hut, Sir. Wirklich nicht! Kommen Sie, bitte! Ich will nicht, dass sie einfach weggeht.«
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