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Wind des Südens

Titel: Wind des Südens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Shaw
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Hauch, über der breiten Oberlippe. So dünn war dieser Bart, dass Mal sich fragte, ob er aufgemalt war, was ihm letztlich jedoch herzlich gleichgültig war, solange dieser Mann seiner Aufgabe nachkam. Er war ihm von einem Priester im Haupttempel wärmstens empfohlen worden.
            »Das ist eine äußerst heikle Situation, Sir«, erklärte Chang seinem Auftraggeber bei ihrem ersten Treffen. »Die Familie Xiu hat Beziehungen zu unserer Kaiserinwitwe Cixi. Ist ihnen diese entsetzliche Tragödie bekannt?«
            »Ja. Ich habe ihnen von Queensland aus geschrieben. Das liegt auf dem großen Kontinent im Süden.«
            »Sie haben geschrieben? O weh, Sir. Mit derart wichtigen Nachrichten hätten Sie einen Boten schicken müssen. O weh!«
            »Ich habe getan, was ich konnte. Ein gelehrter Chinese, der dort in der Stadt lebte, hat den Brief für mich aufgesetzt, weil ich der Meinung war, die Familie müsste so schnell wie möglich erfahren, was geschehen war. Auch er sprach von einem Boten, doch ein Bote hätte auch nicht früher als ich selbst hier sein können.«
            »Wünschen Sie, dass ich jetzt als Ihr Bote vorausreite? Die Familie informiere, dass Sie die Asche der lieben Dame heimgebracht haben und eine Audienz wünschen?«
            »Nein. Das übernehme ich persönlich, aber ich möchte, dass Sie mir helfen, einen angemessenen Transport für die sterblichen Überreste meiner Frau zu organisieren, und dass Sie mich auf der Reise begleiten, denn ich werde Ihren Rat brauchen.«
            »Wahrhaftig, den werden Sie brauchen«, sagte Chang. Er lehnte sich in einem großen Polstersessel zurück und betrachtete seine polierten spitzen Fingernägel.
            »Mr. Willoughby, ist Ihnen bewusst, dass Herren meiner Profession nicht eben billig zu bekommen sind?«
            »Das habe ich angenommen. Für meine Frau will ich das Allerbeste, und ich will ihre Familie nicht enttäuschen. Falls Sie an meiner Zahlungsfähigkeit zweifeln, holen Sie Erkundigungen von der Bank of Hongkong ein.«
            Chang lächelte. »Das habe ich bereits getan. Doch man muss sich vergewissern, dass der Klient auch bereit ist, für seine Wünsche zu bezahlen. Manche wollen nach der Erledigung der Aufgabe handeln, und das dulde ich nicht.«
            Er beugte sich vor. »Ich wünschte, Sie würden Platz nehmen, Mr. Willoughby, ich kann nicht denken, wenn Sie im Zimmer auf und ab gehen. Mein Eindruck ist, dass Ihre Nerven schlimm zerrüttet sind. Jetzt werden Sie mit mir Tee trinken und mir in aller Ruhe genau berichten, was Ihrer lieben Frau widerfahren ist … und dann werde ich überlegen, wie wir am besten vorgehen.«
            Chang erwies sich als überaus wertvoll. Er ließ ein angemessenes Gefährt zum Transport von Jun Liens Asche bauen. Er erkundigte sich nach dem Aufenthaltsort ihrer Eltern, stellte das notwendige Personal ein und beauftragte seine Kulis, wie Mal während ihres Zugs durch die Straßen von Peking bemerkte, täglich frische Blumen aufzutreiben. Er glaubte, dass die Fülle von Blumen, die die silberne Urne umgab, die Jugend und Schönheit der Verstorbenen symbolisierte, zudem aber auch das gebrochene Herz des Gatten trösten würde.
            In dem Punkt hat er Recht, dachte Mal, während er wartete. Die Blumen waren so schön in ihrer extravaganten Pracht und Menge in dem kleinen Rechteck hinter den Fenstern, dass sie ihm ein Lächeln entlockten. Jun Lien, das wusste er, hätte der Anblick entzückt.
            Zina trat vorsichtig aus dem Haus und blieb in der Tür unter dem bunten Bambusbaldachin, den Mal so gut kannte, stehen, doch Mal saß noch immer nicht ab. Er hatte dieses Haus oft besucht, doch Chang hatte ihn gewarnt: Sein Status hatte sich geändert. Er musste warten, bis ihm die Erlaubnis zum Absitzen erteilt wurde, und sei es von einer Haushälterin, denn in jungen Jahren war Zina die bevorzugte Konkubine sowohl Mr. Xius als auch seines älteren Bruders gewesen.
            Sie gab ihm mit einem Wink zu verstehen, dass er vom Pferd steigen möge, und Mal gehorchte und verneigte sich, demütig vor Schmerz. Zina, die ihre Gefühle nicht mehr beherrschen konnte, stürzte vor und warf sich zu seinen Füßen heftig weinend auf den Boden.
            Mal half ihr auf und stand mit ihr auf dem kalten Hof. Seine Tränen überwältigten sie beide, denn es war das erste Mal seit Jun Liens Tod,

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