Wind des Südens
ging trotzdem los und kaufte einen Revolver in bestem Zustand, bevor sie zur nächsten Etappe ihrer Reise aufbrachen. Als das Tor aufschwang und Mal sich umdrehte, um der traurigen Zina ein letztes Mal zuzuwinken, sah er, dass die Blumen um Jun Liens Urne durch frische ersetzt worden waren, und er fühlte sich getröstet.
Ihm fiel auch auf, dass Chang jetzt das Schwert trug, und hoffte, dass er sich damit nicht selbst erstach.
Sie zogen in nordwestlicher Richtung dem grauen, wolkenverhangenen Himmel entgegen. Der Wind wurde stärker, und die Kulis kämpften sich vorwärts, dankbar, dass ihre Last nicht allzu groß war. Mal band sich ein Halstuch um die untere Gesichtshälfte, um sich vor dem aufgewirbelten Staub zu schützen, der fast so schlimm war wie in den Staubstürmen seiner Heimat.
»Wie lange mag so ein Sturm dauern?«, fragte er Chang, der sich bereits bitterlich über diese Unbill beschwerte.
»Tage, vielleicht sogar Wochen«, antwortete er ungehalten. »Wenn Sie gestatten, reite ich voraus und suche ein anständiges Gasthaus, in dem wir unterkommen können, bevor alle Zimmer belegt sind.«
»Gute Idee.« Mal bemerkte, dass er zunächst zurück zu den Wachen ritt und mit ihnen redete, bevor er aufbrach, und eine der Wachen kam nach vorn und ritt neben Mal. Vermutlich hatte Chang ihn vor der Möglichkeit dieser lächerlichen Forderung zum Duell gewarnt. Er zweifelte auch nicht daran, dass Chang, als er die Waffe kaufte, die so genannten Wahrer der Familienehre aufgesucht und mit ihnen gesprochen hatte, denn sie hatten sich anscheinend zurückgezogen.
Spät am Tag traf er Chang an einer Kreuzung wieder, und Chang wies ihm den Weg in ein kleines Dorf.
»Dort gibt es ein für diese arme Gegend überaus angenehmes Gasthaus, und sie reinigen die Ställe, damit Sie dort Ihre Dame mit den Sänftenträgern und Wachen unterbringen können. Kommen Sie, ich führe Sie.«
Das Gasthaus Fünf Winde bot Ausblick über einen malerischen See, und Mal überlegte, welcher der fünfte Wind sein mochte, während Chang den Leichenzug am Haupteingang vorbei zu den leeren Ställen schickte, in dem vier Diener eifrig fegten und schrubbten. Bald waren die Räumlichkeiten sauber genug, um Jun Liens Sänfte und die Träger zu beherbergen.
Zufrieden ritt Mal mit den beiden Wachen zurück zum Gasthaus, bis einer von ihnen seinem Pferd in die Zügel griff.
»Halten Sie hier an, Herr.«
Drei junge Männer standen bei Chang, in einen heftigen Wortwechsel verstrickt. Sie sprachen so schnell, dass Mal nichts verstand. In aller Ruhe zog er den Revolver aus dem Holster und wandte sich an die Wache.
»Was geht da vor?«
»Sie sagen, weil Sie die Forderung nicht angenommen haben, hat die Familie ihren Majordomus angewiesen, Chang zu fordern.«
»Wie bitte? Das lasse ich nicht zu.«
Die drei Neuankömmlinge drehten sich um, als Mal auf sie zuritt, und spien ihm Beleidigungen entgegen, nannten ihn einen Feigling und Betrüger.
»Weg mit Ihnen«, schrie Mal sie an, darauf bedacht, keine Beleidigungen auszusprechen und damit ein Mitglied der Familie Jun Liens zu schmähen. »Mischen Sie sich nicht in meine Angelegenheiten.«
»Es sind nicht mehr Ihre Angelegenheiten, Herr«, sagte die Wache leise. »Chang hat die Forderung angenommen.«
»Den Teufel wird er tun! Los, ihr beiden, helft ihm. Dafür werdet ihr schließlich bezahlt.«
»Unmöglich«, sagten sie. »Der Mann ist Herr Xiu Min Soo. Es wäre schlechter Stil, sich einzumischen, Herr.«
»Das interessiert mich nicht. Es ist nicht Changs Sache. Sie werden ihn umbringen.«
»Das werden sie nicht tun, Herr.«
»Wie? Es geht doch um einen ernsten Kampf, oder?«
Keine der Wachen antwortete, und Mal sprang vom Pferd. »Ich mache dem Theater selbst ein Ende.«
Doch das ließ Chang nicht zu.
»Bleiben Sie zurück«, rief er Mal zu, während er die Mütze und den schweren Mantel ablegte und sich ruhig die Manschetten umkrempelte und festknöpfte. Sein Herausforderer wartete mit gezücktem Schwert.
Er war ein stämmiger Kerl, kleiner als Chang, aber viel jünger und
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