Wind des Südens
wandte er sich wieder seiner Mine und wichtigeren Problemen zu. Es war an der Zeit, Bauholz zu besorgen, um die Wände des Stollens abzustützen, damit er tiefer graben konnte. Bisher war er allein zurechtgekommen, und wenngleich er wusste, dass bei der Arbeit unter Tage ein Partner als Sicherheitsmaßnahme unerlässlich war, schreckte er doch vor dem Gedanken zurück. Jake war Einzelgänger. Als Junge hatte er einmal die Wärme einer liebevollen Familie gekannt, doch diese Wärme war ihm auf tragische Weise entzogen, wie mit einem Blasebalg aus ihm herausgesaugt worden, und daher war er als Mann eiskalt. Gleichgültig. Freundschaften an Bord von Schiffen hatte er stets mit einem Schulterzucken abgetan und war im Hafen wieder seiner eigenen Wege gegangen. Dieses neue Leben, diese einsame Arbeit in seiner Mine gefiel ihm. Für ihn bestand keine Notwendigkeit, mit Leuten zu reden, bohrende Fragen zu beantworten, ihr Geschwätz anzuhören oder auch nur ihre Nähe zu ertragen.
Er ging zur Sägemühle am Rande des Buschs und bestellte die benötigten Stützbalken.
»Damit kann ich nicht dienen, Kumpel«, sagte der Besitzer. »Kann nicht mithalten mit der Nachfrage. Aber meine Holzfäller bringen morgen eine neue Ladung rein. Ich lege dir welche zurück.«
Jake sah zu, wie eine Fähre über den Fluss setzte, und betrachtete die Schürfstellen am anderen Ufer.
»Was ist da drüben los?«, fragte er den Holzhändler. »Was liegt hinter all diesen Camps?«
»Nicht viel. Weideland.«
»Gibt es Farmen da draußen?«
»Nein, aber dauernd ziehen Viehtreiber durch.«
»Wie treiben sie denn das Vieh über die Berge?«
»Tun sie ja nicht. Sie bringen das Vieh von Süden rein.«
Jakes Interesse war erwacht. »Es gibt also eine Straße landeinwärts?«
Der Holzhändler lachte. »Keine, die man sehen könnte. Aber die Leute, die dieses Land erschlossen und Gold gefunden haben, kamen aus dem Landesinneren. Ein verdammt langer Weg. Georgetown ist eine Siedlung, ein paar hundert beschwerliche Meilen von hier, und dazwischen gibt es gar nichts. Aber die Siedler verbreiten sich jetzt von Georgetown aus und nehmen das Land in Besitz, hundert Quadratmeilen am Stück.« Er grinste. »Viel Glück, kann ich nur sagen.«
Nachdenklich ging Jake weiter. Ihm war nicht bewusst gewesen, dass es eine Hintertür zu dieser Gegend gab. Das könnte sich als günstig erweisen. »Verdammt günstig«, murmelte er und kramte nach seiner Tabaksdose.
Das Mädchen war die Tochter des Fleischers. Ihr Vater und sein Partner arbeiteten tagsüber in ihrer Mine und des Nachts in ihrer Fleischerei, wo sie auch Schnaps verkauften. Seine Tochter, sein ganzer Stolz, arbeitete ebenfalls hart. Bei Tag putzte und kochte sie für die Männer, bis Mitternacht, wenn ihr Vater Feierabend machte, arbeitete sie in dem windschiefen Laden. Sie hieß Cora.
Gegen elf Uhr in der besagten Nacht fand eine Frau das kleine dünne Ding schluchzend in die Teebaumhecke gekauert.
Sie lief die Gasse entlang zum Metzger.
»Ihre Cora«, sagte sie, »ihr ist etwas zugestoßen.«
»Wo ist sie? Wir schließen den Laden bald, und sie soll … was ist mit ihr?«
»Kommen Sie schnell!«
Alle hätten schwören mögen, dass man sein Schmerzens- und Wutgebrüll, als er Cora sah, in der ganzen Siedlung hören konnte. Er hob sie behutsam auf und trug sie zu seinem Camp hinter dem Laden. Um des Anstands willen bat er die Frau, sie ein wenig herzurichten, den Schmutz abzuwaschen, ihr die zerrissenen Kleider auszuziehen … »Und reden Sie mit ihr, bitte! Sie können ihr Fragen stellen, die ich nicht stellen kann, verstehen Sie? Ich will alles genau wissen. Was mit ihr passiert ist, wer es getan hat, bei Gott!«
Er schloss den Laden und wartete voller Angst, mit den Händen ringend. Tief im Herzen wusste er, dass sie vergewaltigt worden war, doch er betete, es möge nicht zutreffen. Verzweifelt dachte er an die Folgen einer Vergewaltigung. Cora war ein scheues Mädchen. Sie hatte Todesangst ausgestanden. Und wenn diese Bestie sie gar geschwängert hatte?
»O Gott!« Er weinte.
»Wie lange dauert das denn noch?«, rief er.
Seine
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