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Wind Die Chroniken von Hara 1

Wind Die Chroniken von Hara 1

Titel: Wind Die Chroniken von Hara 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexey Pehov
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Lahen wie vom Erdboden verschluckt sein. Tot.
    Ich legte den Pfeil an die Sehne und hielt den Blick unverwandt auf die verschneite Straße gerichtet. Das schummrige Licht raubte mir die Nerven. Warum konnten diese Mistkerle von Lampenanzündern nicht einmal pünktlich sein?!
    »Immer noch Nordwest. Ein halber Finger. Aber in einer
Minute dreht der Wind erneut nach Nord.«
    »Verstanden.«
    »Viel Glück! Da sind sie!«
    Auch ich sah sie jetzt. Die kleine Gruppe lief rasch in Richtung Kreuzplatz. Vorneweg zwei Gardisten, dann eine Frau, dahinter zwei weitere, zum Abschluss die beiden anderen Soldaten.
    Plötzlich schimmerte der Rand der Pfeilspitze violett auf, und im ersten Moment hätte ich das Ding beinahe zur Seite geschleudert.
    »Lahen! Der Pfeil leuchtet!«
    »Keine Sorge! Er tastet bloß den Funken des Ziels ab! Hundertundfünf Yard!«
    Ich soll mir also keine Sorgen machen? Was, wenn einer aus der Gruppe den Kopf hebt und in meine Richtung schaut? Dann heißt es: ade Auftrag.
    »Ist es die erste Frau?«
    »Fünfundneunzig Yard. Nein. Die zweite links.«
    »Sicher?«
    »Ja, glaub mir. Es ist die mit dem Zobel. Neunzig Yard. Warte auf mein Kommando!«
    Ich behielt die zierliche Frau im Pelzmantel fest im Auge. Obwohl die Gruppe jetzt unmittelbar an mir vorbeilief, schoss ich nicht.
    »Fünfundneunzig Yard … hundert … hundertfünf …«
    Die Gruppe entfernte sich weiter und weiter. Noch zwanzig Sekunden, und das Nachbarhaus nähme mir die Sicht.
    »Wind aus Nord. Vier Finger nach oben. Dir kommt ein Wagen entgegen. In acht Sekunden schiebt er sich vors Ziel. Warte noch. Hundertzehn.«
    Ich sah nur auf den Rücken, der sich immer weiter entfernte. Da kam auch schon der Wagen – der im Nu wieder verschwunden war.
    »Hundertfünfzehn. Los!«
    Nach der Woche mit den Schießübungen handelte ich, ohne nachzudenken: den Bogen angelegt, die Sehne zurückgezogen und geschossen.
    Zing!
    Kaum hatte ich den Schuss abgegeben, sprang ich vom Fenster weg und huschte zur Wand. Trotzdem bemerkte ich noch den violetten Schweif, den der Pfeil nach sich zog, während er auf sein Ziel zuhielt.
    Lahen blieb derweil ebenfalls nicht untätig. Ich spürte zwar nichts, wusste aber, dass sie den Schutzschild der arglosen Glimmenden entfernt hatte.
    Plopp!
    Für den Bruchteil einer Sekunde loderte ein violettes Licht in der Straße auf. Der Pfeil hatte sein Ziel getroffen.
    Die Glimmenden legten die Hände nun natürlich auch nicht in den Schoß, sondern schlugen blindlings auf alle Gebäude in der Nähe ein. Lahen würde mir jetzt nichts mitteilen, da sie befürchtete, die Zauberinnen könnten das Gespräch mit anhören. So hoffte ich inständig, mein Augenstern möge bereits in sicherer Entfernung weilen.
    Rasch legte ich den Bogen ab, zog im Gehen die Schießhandschuhe aus und verließ den Dachboden über eine wackelige Leiter. Im ersten Stock des Hauses öffnete ich die Tür, trat in das gemietete Zimmer ein und streifte mir das Hemd eines Bäckergesellen über, das auf einem frisch gebackenen Brot auf mich wartete. Zu guter Letzt bestäubte ich Kleidung und Hände mit Mehl.
    Ich biss vom Brot ab und öffnete kauend das Fenster, das zum Hinterhof führte. Mit einem Sprung landete ich auf einer Scheune, mit einem zweiten in einer hohen Schneewehe. Sofort schnellte ich hoch und sah mich um.
    Niemand. Ich rannte zu dem niedrigen Zaun, setzte mühelos über ihn und gelangte über mehrere Hinterhöfe in eine enge Gasse, um dann geradezu gemächlich von dannen zu schlendern. Aus der Ferne drangen immer noch Schreie zu mir heran, wenn auch leise.
    Von hier aus war nur der Glockenturm zu sehen. Genauer gesagt, das, was von ihm übrig geblieben war. In ihrem Furor hatten die Glimmenden die Obergeschosse aller umliegenden Häuser mit ihrer Magie angegriffen, da sie in einem davon den Mörder vermuteten.
    Ihr Pech. Und mein Glück. Bis sie endlich an einem weniger offensichtlichen Ort suchten, würden Lahen und ich über alle Berge sein. Vielleicht stießen sie ja auch schon bald auf unsere völlig verkohlten Leichen, die in dem Schuppen von Yola und Khtatakh lagen. Im Übrigen hoffte ich sehr, unsere Freunde würden uns verzeihen, dass wir den Schuppen angezündet hatten.
    Schnellen Schrittes eilte ich davon …
    »Ich packe«, verkündete Lahen.
    Mit einer Kopfbewegung verscheuchte ich die Erinnerungen. Sieben Jahre waren vergangen, doch mir schien, ich hätte diesen Auftrag erst gestern ausgeführt.
    »Ja, du hast recht«, erwiderte ich.

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