Wind Die Chroniken von Hara 1
Soldaten angeritten gekommen. Und jeden Soldaten begleitete noch ein Bogenschütze. Die waren blitzschnell von den Pferden gesprungen und hatten losgeschossen! Und der auf dem Wachturm hatte auch geholfen. Wie die alle Soldaten aus dem Imperium mit Pfeilen spickten! Und wie viele sie töteten! Und die Nabatorer Reiter erledigten den Rest. Richtig so! Genau das hatten sie verdient. Aber die Leute aus dem Dorf hielten die Soldaten aus dem Imperium immer noch für ihre Freunde! Wie dumm waren die eigentlich?
Anschließend hatten die Nabatorer die Toten untersucht. Sie nahmen ihre Pferde an sich, die Waffen, das Geld und die herrlichen Stiefel. Viele schöne Sachen. Die hätte er, Pork, auch gern gehabt. Nur ließ ihn niemand zu den Leichen. Alles bekamen die anderen.
Das brachte Pork auf den Gedanken an die anderen Toten. Die im Wald, auf der Lichtung. Die, die der schreckliche Zimmermann getötet hatte. Auch die mussten Geld und schöne und nützliche Dinge haben. Die könnte er sich holen und gegen Süßigkeiten eintauschen. Jawoll. Dieser Pars … Immer sah er so nett aus – und dann hatte er die fremden Onkels genauso schnell getötet wie die Nabatorer die Soldaten aus dem Imperium. Nur gut, dass Pork niemandem von alldem erzählt hatte. Sonst hätten die alle Toten ausgeplündert, und er wäre wieder leer ausgegangen. Wie raffiniert er doch war!
Und jetzt würde er den Besitz dieser Toten an sich bringen. Deshalb vertraute er die Kühe der Obhut Meloths an (zu dem er vorher ein inständiges Gebet geschickt hatte) und stiefelte in den Wald. Es war ein langer Weg, das ganze Dorf musste er dafür durchqueren. Dabei könnte er seinem Vater unter die Augen kommen! Und dann würde es etwas setzen. Aber er hatte Glück: Niemand hielt ihn auf.
Im Wald beschlichen Pork Zweifel.
Was, wenn schon jemand die Toten entdeckt und ausgeraubt hatte? Dann war er umsonst hergekommen. Dann ade Honigküchlein. Oder was, wenn die Toten verschwunden waren?
Je näher er der Lichtung kam, desto mulmiger wurde ihm. All die Geschichten fielen ihm ein, die der Sohn des Müllers im letzten Sommer erzählt hatte. Von Toten, die wieder zum Leben erwachten, nachts aus ihren Gräbern krochen und alle auffraßen, die sich in ihre Nähe wagten. Und wer dann floh, den jagten sie erst, bevor sie ihn auffraßen. Bei einer besonders schauerlichen Geschichte hatte sich jemand an Pork herangeschlichen, ihn bei den Schultern gepackt und laut gebellt. Da hatte er, Pork, sich vor Angst in die Hose gemacht und eine Woche lang gestottert. Danach hatten alle über ihn gelacht und ihn Stinkrübe genannt.
Doch sobald Pork nun ein strenger Verwesungsgeruch in die Nase stieg, wusste er, dass die Toten noch da waren. Tiere und Krähen hatten die Leichen bereits ordentlich abgenagt. Allerdings stand auf der Lichtung auch ein Fremder, der die Toten eingehend betrachtete. Der Gestank und die unzähligen Fliegen machten ihm offenbar nichts aus.
Vor Enttäuschung hätte Pork beinahe losgeheult! Er kam zu spät! Dieser Kerl würde alles an sich raffen! Das Geld und die Sachen! Sein Traum von Reichtum und Honigküchlein platzte wie eine Seifenblase!
Der Mann hatte Pork den Rücken zugekehrt. Er war hochgewachsen und breitschultrig. In den Händen hielt er einen schwarzen Stab mit einem merkwürdigen Knauf am Ende, aber Pork kam einfach nicht dahinter, was an dem Ding nicht stimmte. Außerdem trug der Mann einen langen weißen Umhang mit Kapuze, der von einem breiten schwarzen Gürtel gehalten wurde, an dem ein schreckliches Krummschwert hing.
Mit dem würde er sich nicht anlegen. Der würde ihm am Ende den Kopf abhauen, wenn Pork ihn bat, die Beute zu teilen.
Enttäuscht wimmerte Pork los und verteilte mit den Fäusten die Tränen über die schmutzigen Wangen.
Wie sich zeigte, besaß der Fremde ein vorzügliches Gehör. Sofort unterbrach er die Begutachtung der Toten, drehte sich um und spähte in die Sträucher, in denen der Hirte kauerte. Das Gesicht seines Rivalen konnte er, Pork, unter der Kapuze nicht erkennen. Da war nur ein schwarzes Loch. Das ihn aber mit einem Blick zu durchbohren schien. Der jagte ihm eine solche Angst ein, dass er sich auf den Boden presste, den Atem anhielt und hoffte, der Unbekannte möge ihn übersehen.
Der dachte jedoch gar nicht daran. Unverwandt blickte er in seine Richtung. Porks Herz war kurz davor, ihm vor Angst aus der Brust zu hüpfen. Er bedauerte bereits, überhaupt hergekommen zu sein. Wäre er doch bloß bei den
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