Wind Die Chroniken von Hara 1
dauern?«
»Auf jeden Fall werden wir umso eher da sein, je eher wir aufbrechen«, antwortete ich. »Also halten wir uns nicht unnütz hier auf.«
Der Regen hatte zum Glück schon vor einer Weile aufgehört, aber überall auf der Straße standen Pfützen und lag Dreck, sodass wir am Rand liefen, wo es etwas sauberer war. Rechter Hand zog sich nach wie vor dichter Tannenwald dahin, links von uns lichtete er sich jedoch bald und wich der tristen Sumpflandschaft. Das Moos und die kümmerlichen Bäume boten einen schauerlichen Anblick, sodass ich diesen Teil der Strecke schnellstmöglich hinter mich bringen wollte. Ich hatte schon keine Lust, als Mückenfutter zu dienen, geschweige denn, mich von irgendwelchen anderen Kreaturen, die hier auftauchen konnten, verschmausen zu lassen. Über diese Gegend wurde nämlich so einiges gemunkelt. Nun lass ich mir zwar so schnell nichts einreden, weshalb ich auch die Blasgen nicht für die vielbeschworenen Monster hielt – aber außer diesem letztlich friedlichen Völkchen konnten hier durchaus ein paar unangenehme Geschöpfe leben. Der einzige Vorteil, den der Landstrich mit sich brachte, waren daher die unzähligen Vögel. So hoffte ich, heute Abend nicht mit leerem Magen einschlafen zu müssen, und spannte schon mal den Bogen. Für alle Fälle.
Ga-nor sah sich während des ganzen Weges nicht ein Mal um. Der Nordländer legte einen Schritt vor, dass man sich nur wundern konnte. Müdigkeit kannte er offenbar überhaupt nicht, obendrein schien er bereit, das gesamte Imperium zu Fuß zu durchqueren. Luk trällerte mittlerweile ein mir unbekanntes Liedchen, und irgendwann fiel Lahen in seinen Gesang ein. Na wunderbar! Warum schloss sich ihnen nicht auch noch unser Herr Medikus an – dann könnten sie sich fortan als fahrende Sänger durchschlagen.
Pfff!
Shen, der als Letzter ging, stieß einen erstickten Schrei aus.
Ich fuhr herum: Unser Medikus lag auf der Straße und zappelte in einer grauen Brühe, die nur wie durch ein Wunder nicht auch noch sein Gesicht getroffen hatte.
»Lieg still, du Narr!«, schrie ich, aber dennoch kämpfte er schimpfend weiter gegen die Flüssigkeit. Das Zeug erstarrte bereits.
»Was ist das?!«, stieß Luk aus und stellte sogar seinen Gesang ein. Ohne auch nur eine Sekunde darüber nachzudenken, gab ich ihm sein Beil – was ihn endgültig davon überzeugte, dass mit der Jauche, in der Shen festklebte, nicht zu scherzen war.
»Lahen!«, sagte ich, den Blick auf die finstere Mauer des Waldes gerichtet. »Gib Ga-nor sein Schwert!«
Besser, die beiden verfügten jetzt wieder über ihre Waffen – denn die würden sie vermutlich schon sehr bald brauchen.
Die graue Brühe war inzwischen endgültig erstarrt und hielt Shen gefangen.
»Da platzt doch die Kröte, was ist das?!« In Luks Stimme schwang Panik mit.
»Ein Spag«, antwortete Ga-nor, zog das Schwert blank und machte einen Schritt zur Seite.
»Und zwar das Männchen«, schob ich nach. »Das Weibchen ist wahrscheinlich in der Nähe. Verteilt euch! Geht auseinander, damit dieses Biest uns nicht alle auf einmal erwischt.«
»Erwischt
womit?
«
»Mit seinem Speichel.«
»Was sollen wir mit ihm machen?«, fragte Lahen und nickte in Richtung Shen.
»Erst mal gar nichts.«
Pfff!
Der Klumpen Spucke kam hinter den Bäumen hervorgeschossen und hätte Luk getroffen, wenn dieser nicht mit der Anmut eines blinden Ebers zur Seite gewichen wäre.
Allerdings rutschte er dabei aus und landete bäuchlings in einer Pfütze. Sofort sprang er wieder auf, spuckte aus und fluchte gewaltig.
Pfff!
Diesmal musste sich Lahen in Sicherheit bringen, was ihr auch gelang.
Pfff!
Inzwischen hatte ich die Stelle ausgemacht, von der aus uns die Spucke entgegengeschickt wurde, und schoss einen Pfeil in die Richtung ab. Natürlich traf ich nicht, aber immerhin zwang ich unseren Feind auf diese Weise zum direkten Angriff: Er katapultierte sich von den oberen Zweigen einer Tanne auf die Straße, landete gefährlich nahe an Shen und stieß ein markerschütterndes Quaken aus.
Das Geschöpf war rund wie eine Schale und reichte mir bis zur Taille. Aus dem Körper ragten acht befellte Beine heraus, die in scharfe Krallen mündeten. Dichtes grünes Fell bedeckte den ganzen Körper dieser Kreatur, zwei Paar kleine schwarze Augen wirkten wie Edelsteine. Die seltsamen Kieferklauen klapperten, und der in einem Giftstachel auslaufende, elastische Schwanz schnellte hoch. Das Ding sollte man im Übrigen tunlichst meiden, denn
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