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Wind (German Edition)

Wind (German Edition)

Titel: Wind (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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hingeschickt.«
    »Auch Hexen und Zauberer«, fügte Pickens hinzu. Sein Gesichtsausdruck war der eines Menschen, der sich an die gute alte Zeit erinnerte, in der Züge pünktlich verkehrten und das Klingeling öfter läutete, weil Anrufe damals aus weitaus mehr Orten eingingen. »Ausübende der Schwarzen Künste.«
    »Einmal haben sie ’nen Kannibalen geschnappt«, sagte Strother. »Er hat seine Frau gefressen.« Darüber musste er töricht kichern, obwohl nicht klar wurde, ob er das mit dem Fressen oder das mit dem Verwandtschaftsgrad komisch fand.
    »Er ist gehenkt worden, dieser Kerl«, sagte Pickens. Er biss einen Klumpen Kautabak ab und machte sich mit seinem verkümmerten Unterkiefer darüber her. Er sah weiter wie jemand aus, der sich an eine bessere, rosigere Vergangenheit erinnerte. »Im Militärknast Beelie sind damals oft Leute gehenkt worden. Mit meinem Da’ und meiner Marmar bin ich zu mehreren Hinrichtungen gegangen. Marmar hat immer belegte Brote für uns eingepackt.« Er nickte bedächtig. »Aye, Hinrichtungen hat’s viele gegeben. Alle hatten großen Zulauf. Es hat Buden gegeben, und clevere Leute haben clevere Sachen wie Jonglieren vorgeführt. Manchmal hat’s auch Hundekämpfe auf ’nem Kampfplatz gegeben, aber die eigentliche Schau waren natürlich immer die Hinrichtungen.« Er schmunzelte. »Ich weiß noch, wie einer der Kerle ’ne richtige Commala getanzt hat, weil der Sturz ihm nicht das Genick …«
    »Was hat das mit blauen Fußtätowierungen zu tun?«
    »Oh«, sagte Strother, als fiele ihm plötzlich wieder das ursprüngliche Thema ein. »Wer in Beelie eingesessen hat, ist auf diese Weise tätowiert worden, wisst Ihr. Aber ich weiß nicht mehr, ob das ’ne zusätzliche Strafe oder bloß ’ne Kennzeichnung für den Fall war, dass jemand aus einer der Arbeitskolonnen abgehauen ist. Mit alledem war Schluss, als das Militärgefängnis vor zehn Jahren aufgelöst wurde. Nur deshalb konnten die Verwüster die Stadt ungestört plündern, wisst Ihr – weil die Miliz abgezogen und der Knast geschlossen war. Jetzt müssen wir mit dem Gesindel und allen schlimmen Elementen allein fertigwerden.« Er musterte mich geradezu unverschämt von oben bis unten. »Aus Gilead kommt heutzutage nicht viel Hilfe. Nah, echt nicht. Von John Farson wär vielleicht mehr zu erwarten, und manche Leute würden am liebsten eine Delegation nach Westen schicken und ihn fragen.« Er musste etwas in meinem Blick gesehen haben, jedenfalls setzte er sich jetzt etwas auf und sagte: »Natürlich nicht ich. Niemals! Ich glaub an Recht und Gesetz und die Linie des Eld.«
    »Das tun wir alle«, sagte Pickens und nickte nachdrücklich.
    »Glaubt ihr, dass auch welche von den Salzhauern im Militärgefängnis Beelie gesessen haben, bevor es aufgelöst wurde?«, fragte ich.
    Strother dachte angelegentlich nach, dann sagte er: »Oh, bestimmt ein paar. Aber nicht mehr als vier von zehn, würd ich sagen.«
    In späteren Jahren lernte ich, meinen Gesichtsausdruck zu beherrschen, aber damals war das eben noch nicht der Fall. Er musste meine Bestürzung gesehen haben. Sie ließ ihn lächeln. Bestimmt ahnte er nicht, wie knapp er an einer schmerzhaften Vergeltung für dieses Lächeln vorbeischrammte. Hinter mir lagen zwei schwierige Tage, und das Schicksal des Jungen lastete schwer auf mir.
    »Wer, glaubt Ihr, würde es übernehmen, für ’nen Hungerlohn Salzblöcke aus einem elenden Loch im Berg zu holen?«, fragte Strother. »Musterbürger?«
    Young Bill würde sich also wohl doch ein paar Salzhauer ansehen müssen. Hoffentlich war dem Gesuchten dann nicht bewusst, dass der Junge außer der Tätowierung nichts von ihm gesehen hatte.
    Als ich zur Zelle zurückkam, lag Young Bill auf den Strohsäcken, sodass ich glaubte, er schliefe, aber auf das Geräusch meiner Stiefelabsätze hin setzte er sich auf. Seine Augen waren gerötet, seine Wangen nass. Also hatte er nicht geschlafen, sondern getrauert. Ich sperrte mit den Schlüsseln auf, nachdem er sie mir hingeschoben hatte, setzte mich neben ihn und legte ihm einen Arm um die Schultern. Das war etwas, was mir nicht leichtfiel – ich weiß, was Trost und Mitgefühl sind, aber ich habe nie gut damit umgehen können. Andererseits wusste ich, wie es war, einen Elternteil zu verlieren. So viel hatten Young Bill und Young Roland gemeinsam.
    »Hast du deine Süßigkeiten denn schon alle aufgegessen?«, fragte ich.
    »Will den Rest nicht mehr«, sagte er und seufzte.
    Draußen heulte eine Bö

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