Wind über den Schären: Liebesgeschichten aus Schweden (German Edition)
sie diesen Typen auch schon vergessen.
Durch das Küchenfenster sah sie Harald im Garten. Er hatte heute keinen Nachmittagsunterricht.
Malin zweifelte immer noch, dass er es ganz ohne Schule aushalten würde. Ein wenig verloren wirkte er schon, wie er da auf dem Rasen stand, die Hände in den Taschen seiner weißen Hose, und über den See schaute. Ganz so, als wüsste er gerade nichts mit sich anzufangen.
Malin hatte die Teller vom Mittagessen in den Geschirrspüler gestellt und wischte die Spüle ab, als es klingelte. Sie trocknete ihre Hände ab und ging zur Haustür. Das Erste, was sie sah, als sie die Tür öffnete, war ein riesiger Strauß Rosen in unterschiedlichen Farbschattierungen. Der Blumenstrauß schob sich zur Seite, und daneben erschien ein Frauengesicht. »Rosen sind hoffentlich immer noch deine Lieblingsblumen«, sagte Kristina lachend.
»Kristina!«, rief Malin aus. »Das gibt es doch nicht!« Im ersten Moment empfand sie nichts als Freude. Den winzig kleinen Stachel, der sie tief in ihrem Innern pikste, ignorierte sie.
Kristina war da!
Früher waren sie beste Freundinnen gewesen, trotz oder vielleicht auch gerade weil sie so unterschiedlich waren. Kristina, die Schöne, die es in die Welt hinauszog, und die bodenständige Malin, die neben Kristina immer noch ein bisschen unscheinbarer wirkte als ohnehin schon und damit Kristinas Schönheit noch mehr zum Strahlen brachte. Während ihrer gemeinsamen Schulzeit hatte Malin die besseren Noten gehabt. Sie war ein liebenswertes Mädchen gewesen, das sensibel auf die Nöte anderer reagiert hatte, während Kristina sich immer selbst in den Mittelpunkt gestellt hatte. Niemand hatte verstehen können, dass ausgerechnet sie beide beste Freundinnen wurden, aber Malin hatte sich immer auf Kristina verlassen können, und umgekehrt war es ebenso gewesen, trotz aller Unterschiede zwischen ihnen. Erste Spannungen und Risse in ihrer Freundschaft hatte es erst gegeben, als sie erwachsen waren und sich beide in denselben Mann verliebten. Aber das war lange her.
»Überraschung gelungen?«, fragte Kristina.
»Das kannst du wohl sagen.« Malin umarmte Kristina, so gut es ging. Der Rosenstrauß war dabei ein wenig im Weg, vielleicht auch ein bisschen dieser kleine giftige Stachel in ihr, der sich doch nicht so ganz wegschieben ließ.
Malin trat einen Schritt zurück. »Was machst du hier? Du siehst einfach großartig aus. Keinen Tag älter als … Meine Güte«, unterbrach sie sich selbst. »Wann haben wir uns das letzte Mal gesehen?«
»Das muss vorgestern gewesen sein, so blendend wie du aussiehst«, sagte Kristina lachend und drückte ihr die Rosen in die Hände. Eine der Dornen bohrte sich schmerzhaft in Malins Finger. Malin unterdrückte einen Schmerzensschrei und hielt den Strauß so, dass sie den Finger vom Dorn ziehen konnte. Es tat trotzdem noch weh.
»Kann ich reinkommen?«, fragte Kristina.
»Natürlich.« Malin trat einen Schritt zur Seite und ließ Kristina ins Haus. »Bleib doch zum Kaffee.«
Kristina nickte und folgte ihr ins Wohnzimmer. Malin sah, wie sie sich neugierig umschaute, dabei hatte sich nichts verändert, seit sie das letzte Mal hier gewesen war. Weiße Möbel, ein heller Holzfußboden und durch die Glastüren zur Veranda ein traumhafter Blick auf den See. Malin fand, dass Kristinas Blicke ein wenig wehmütig wirkten. Tat es ihr etwa leid …
Sie verbat sich energisch jeden Gedanken in diese Richtung. »Ich hole nur eine Vase«, sagte sie so beiläufig wie möglich und ging in die Küche.
»Vergiss den Kaffee nicht!«, rief Kristina ihr nach. Als Malin sich noch einmal umdrehte, sah sie, dass Kristina ungeniert in dem Raum herumging und alles genau betrachtete.
Was will sie hier?, schoss es ihr durch den Kopf. Wieso kommt sie hierher, nach so vielen Jahren?
Vor zehn Jahren hatten sie sich das letzte Mal gesehen. Bei einem Klassentreffen im Strandhotel. Kristina war strahlender Mittelpunkt gewesen und hatte mit ihren Erzählungen von ihrem spannenden Leben alle in ihren Bann gezogen.
Malin hatte ihr diesen Erfolg gegönnt. Neidisch war sie nicht auf Kristinas Leben. Um nichts in der Welt hätte sie mit ihr tauschen wollen. Das, was ihr selbst wichtig war, was ihr Leben ausmachte, war hier in Söderholm.
Malin ließ sich Zeit, um die Blumen zu versorgen und den Kaffee zu kochen. Ihr Finger schmerzte immer noch, und auch der Stachel in ihrem Herzen bohrte sich tiefer. Als sie zurück ins Wohnzimmer kam, sah sie, dass auch Harald
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