Wind über den Schären: Liebesgeschichten aus Schweden (German Edition)
Spaß gönnen.«
»Den Spaß werde ich haben, wenn meine Karriere richtig angelaufen ist«, erwiderte Lena. »Solange kann ich darauf warten.« Sie ließ ihn ein zweites Mal einfach stehen und war froh, dass er ihr dieses Mal nicht folgte.
Schon nach wenigen Minuten hatte sie den Ärger über Mikael vergessen. Sie schlenderte langsam durch den Ort und stellte überrascht fest, dass es ihr hier weitaus besser gefiel, als sie es vor wenigen Stunden noch für möglich gehalten hätte. Die Hauptstraße bestand aus einer Einkaufsstraße mit vielen gemütlichen kleinen Läden. Die hohen alten Häuser faszinierten sie. Hervorstehende Giebel, die sich über die Straße zu beugen schienen. Fantasievolle Schnitzereien. Die bunten Fahnen verschiedener Nationalitäten, die Besucher willkommen heißen sollten, und auch die liebevoll dekorierten Auslagen der Geschäfte.
Am Ende der Straße führte rechts ein schmaler Weg über eine Treppe hinunter ans Ufer des Sees. Lena erlag der Verlockung, obwohl sie noch keine Apotheke gefunden hatte.
Sie hörte die Stimmen schon, bevor sie die Kinder sah. Hinter der Wegbiegung lag eine Art Schulgarten, in dem Kinder um einen Tisch standen und junge Pflanzen pikierten. Bei ihnen stand ausgerechnet der Mann, den sie vor einer Stunde beinahe überfahren hätte. Vermutlich der Lehrer.
»Das glaube ich nicht«, sagte ein Mädchen gerade. »Kartoffeln sind doch nicht mit Tomaten verwandt. Ich mag Kartoffeln, aber ich hasse Tomaten.«
»Sie sind sich nicht ähnlich, aber verwandt sind sie doch«, erwiderte der Lehrer. »Sie gehören beide zur Familie der Nachtschattengewächse.« Er hob den Kopf. Ein Lächeln glitt über sein Gesicht, als er ihren Blick traf.
Lena bemerkte erstaunt, dass sie sich auch freute. Sie hielt seinem Blick stand, als er jetzt auf sie zutrat. »Hej. So schnell sieht man sich wieder. Suchen Sie mich?«
Lena musste lachen. Das Selbstbewusstsein dieses Kleinstädters schien ziemlich ausgeprägt zu sein. »Ich wollte Ihren Unterricht nicht stören«, sagte sie. »Ich habe mich wohl verlaufen.«
Na ja, so ganz stimmte das nicht. Sie hatte sich treiben lassen von der Schönheit der Landschaft und darüber ihr eigentliches Ziel vergessen.
»Wie das eben so geht in diesen übersichtlichen Kleinstädten«, erwiderte er. »Wo wollten Sie denn hin?«
»Ich suche eine Apotheke«, sagte sie.
»Da müssen Sie zurück in die Stadt«, erwiderte er. »Am Marktplatz ist eine.«
Ihr Blick versank sekundenlang in seinem, bis er sich plötzlich losriss. Verwirrt bemerkte sie, dass die Kinder zu ihnen herüberschauten, tuschelten und lachten. Eines der Mädchen, so kam es Lena jedenfalls vor, starrte sie an, der Blick wirkte fast feindselig.
Lena bedankte sich stotternd und wandte sich zögernd um. Dieser Mann faszinierte sie – und dann war er es, der sie aufhielt.
»Warten Sie bitte!«, rief er ihr nach.
Lena blieb sofort stehen und drehte sich um. Seine blauen Augen strahlten sie an, und Lena registrierte wieder, dass die Art und Weise, in der sie auf ihn reagierte, ihr völlig fremd war. Unkontrolliert, irgendwie. Ungewohnt, beängstigend und schön zugleich.
»Ich muss ein bisschen Reklame machen für meinen Biologiekurs«, sagte er. »Wir haben in unserem Kräutergarten ein paar Heilmittel hergestellt. Hustensaft, Ringelblumensalbe. Falls Sie so etwas brauchen …«
Lena schüttelte den Kopf. »Gegen meinen Heuschnupfen ist kein Kraut gewachsen.«
»Schade.« Er zuckte mit den Schultern. Ein letzter Blick, dann wandte er sich um und ging zurück zu seinen Schülern.
Lena spürte Bedauern, ließ dieses Gefühl aber nur ganz kurz zu. Es war einfach zu verrückt und völlig indiskutabel. Sie zwang sich, an das zu denken, weswegen sie hier war: ihre Arbeit.
Sören lächelte. Diese Fremde gefiel ihm, wie ihm schon lange keine Frau mehr gefallen hatte. Plötzlich spürte er Claras Blick auf sich. Ein Blick, der ihr deutliches Missfallen verriet.
Mein Mädchen ist eifersüchtig, dachte Sören amüsiert. Seine Tochter schätzte es nicht besonders, wenn er sich mit attraktiven Frauen unterhielt.
»Also, wo waren wir stehen geblieben?«, fragte er.
Aber so leicht ließ Clara sich nicht ablenken. »Die war aber ziemlich doof«, sagte sie abwertend. Die anderen Kinder kicherten.
»Wie war das mit dem ersten Eindruck?«, fragte Sören.
»Mama sagt, der erste Eindruck ist entscheidend«, gab Clara eine der Weisheiten ihrer Mutter zum Besten. Sie wusste, dass sie ihn damit
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