Wind über den Schären: Liebesgeschichten aus Schweden (German Edition)
ihr schien es ähnlich zu gehen, er blickte sauertöpfisch drein. Kristina hatte auf der Rückbank Platz genommen. Nicht, weil sie ihrem Sohn aus besonderer Rücksichtnahme den vorderen Platz überlassen wollte, sondern weil sie hinten mehr Platz für sich selbst hatte. Im Rückspiegel konnte Lena das Gesicht ihrer Chefin sehen. Kristina schien die Einzige zu sein, die diesen Ausflug genoss.
»Habe ich euch zu viel versprochen?«, rief sie gegen den Fahrtwind an. »Es ist doch wunderschön hier!«
»Ja, wunderschön«, erwiderte Mikael, seine Stimme troff vor Ironie. »Hier haben wir sie, die drei großen W’s: Wald, Wiesen und Wasser. Ich möchte ein weiteres W einfügen: Warum musste ich unbedingt mitkommen? Du hast doch noch nicht einmal den Zuschlag für die Kampagne. Es hätte völlig ausgereicht, wenn ich in zwei Wochen mal hierhergekommen wäre.«
»Weil du ein guter Fotograf bist«, sagte Lena und fand es bemerkenswert, dass selbst die Aussicht, zusammen mit ihr aufs Land zu fahren, für ihn wenig verlockend schien. Aber sie konnte ihn ja verstehen. Sie hätte zu den drei W’s noch zwei l’s hinzufügen können: lästig und langweilig!
»Und weil ich meinen Sohn dabeihaben wollte«, erklärte Kristina vom Rücksitz. »Lena, kannst du mal anhalten?«
Lena seufzte innerlich genervt auf, aber natürlich tat sie, worum Kristina sie gebeten hatte.
Lena verringerte die Geschwindigkeit und bog in einen Weg ein, der sich rechts zwischen den Feldern wand. Sie und Mikael blieben sitzen, während Kristina aus dem Wagen sprang und sich mit ausgebreiteten Armen um die eigene Achse drehte. »Los, steigt schon aus!«, rief sie.
Mikael und Lena schauten sich an. Beide stöhnten laut auf, bevor sie der Aufforderung folgten. Mikael schaute sich sogar um, während Lena die Arme gelangweilt vor der Brust verschränkte. »Und was jetzt?«, fragte sie gereizt.
Ihr Widerwille war auch Kristina offensichtlich nicht verborgen geblieben. »Willst du nicht sehen, wie schön es hier ist?«, rief sie. »Oder kannst du es nicht sehen?« Dabei entfernte sie sich ein paar Schritte und wies mit einer ausladenden Handbewegung um sich.
Lena schaute sich um und konnte immer noch nicht begreifen, was Kristina so in Begeisterung versetzte. Okay, hier gab es eine Menge Landschaft, aber was war so toll an gelb blühenden Feldern, grünen Wiesen und dem Zipfelchen See, das sich zum Horizont verbreiterte? Hier war nichts zu hören, außer dem Gezwitscher der Vögel. Mit einem Wort, es war zum Schreien langweilig.
Mikael sah zwar auch nicht wirklich begeistert aus, aber er konnte die Gegend immer noch aus der Sicht des Fotografen betrachten. Er hielt die Kamera bereits hoch und verfolgte Kristina mit dem Sucher.
»Lass das«, sagte Kristina ärgerlich. »Du weißt genau, dass ich das nicht mag.«
Wer wusste das nicht! Lena sowie allen anderen Mitarbeitern der Werbeagentur war bekannt, dass Kristina keine Schnappschüsse von sich wünschte, weil dann die Gefahr bestand, dass sie ihre Mimik nicht unter Kontrolle hatte und auf dem Foto später wenig vorteilhaft aussah. Dabei musste sie sich wirklich keine Gedanken machen, fand Lena. Kristina wirkte selbst in dieser Gegend und im Businesskostüm nicht deplaziert, sondern wunderschön.
Mikael grinste seine Mutter frech an. »Elegante Stadtpflanze auf dem Land. So etwas kriegt man nicht oft vor die Linse.«
Lena hatte keine Lust mehr. Außerdem hatte sie das Gefühl, dass es bereits in ihrer Nase kribbelte. Sie suchte nach einem Papiertaschentuch, hielt es sich vor die Nase und setzte sich wieder hinter das Lenkrad. »Wir sollten weiterfahren. Ich würde gerne vor dem Meeting die Räumlichkeiten checken.«
Kristina schaute schmunzelnd auf das Papiertaschentuch in ihrer Hand. »Und die Apotheke suchen. Komisch ist das schon: Da, wo die Luft gesund ist, willst du unbedingt krank sein.«
Ich will überhaupt nicht krank sein, diese Idylle hier macht mich krank, so ist das. Ich will das hier so schnell wie möglich hinter mich bringen und dann sofort zurück nach Stockholm, dachte Lena.
Es war tatsächlich nicht mehr weit bis Söderholm. Eine schmale Straße führte sie in den Ort. Lena fuhr langsam auf dem rumpeligen Kopfsteinpflaster. Die Häuser standen dicht an dicht, und die Straße war so schmal, dass zwei Autos nur knapp aneinander vorbeifahren konnten. Trotzdem gefiel Lena dieser Ort. Irgendwie – und zu ihrer eigenen Überraschung.
Lena schaute sich interessiert um, hier war
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