Wind über den Schären: Liebesgeschichten aus Schweden (German Edition)
ihr ziemlich egal, ob er ihr das glaubte.
Mikael entschuldigte sich noch einmal für die späte Störung und verabschiedete sich. Malin wünschte ihm eine gute Nacht, war aber mit ihren Gedanken ganz woanders. Sie rechnete bereits …
Sie hatten einen wunderschönen Abend miteinander verbracht. Weit weg von Söderholm, wo sie niemand kannte. Harald ließ es sich nicht nehmen, sie jetzt bis zu ihrem Hotelzimmer zu bringen. Als sie den Gang entlangschlenderten, legte er einen Arm um ihre Schultern.
Kristina war beschwingt, fröhlich und ein kleines bisschen beschwipst. »Ich werde dem Naturschutzbund auf ewig dankbar sein, weil ich die Präsentation hier in Söderholm halten musste.«
Vor Kristinas Zimmertür blieben sie stehen. Harald umfasste ihr Gesicht mit beiden Händen. »Sonst hätten wir uns woanders wiedergetroffen«, sagte er heiser. »Vielleicht war es uns ja bestimmt, dass wir uns wiedersehen.«
»Ja, vielleicht«, erwiderte sie atemlos.
Harald zog sie an sich. »Ich habe es nicht zu hoffen gewagt«, sagte er dicht an ihrem Ohr.
Kristina drängte sich an ihn. Harald stöhnte auf, seine Hände vergruben sich in ihrem Haar, als er sie küsste. Leidenschaftlich, fordernd und mit all der Sehnsucht, die sich in den Jahren aufgestaut hatte.
Malin hatte es zu Hause nicht mehr ausgehalten. Sie wollte den Beweis für das, was sie insgeheim ohnehin schon wusste. Harald hatte angeblich zu Sören gehen wollen, aber als sie dort ankam, war es hinter den Fenstern dunkel. Clara und Sören schliefen bestimmt schon.
Für Malin brach eine Welt zusammen, als zur Gewissheit wurde, was sie eigentlich die ganze Zeit schon gewusst hatte. Sie spürte, wie sie die Fassung zu verlieren drohte, und setzte sich völlig erschöpft auf die Stufen vor dem Eingang, stützte den Kopf in beide Hände. Was sollte sie jetzt machen? Wie sollte es jetzt weitergehen? Ihre ganze Welt stürzte in sich zusammen, und nicht nur die Zukunft lag tiefschwarz vor ihr. Was war das gewesen in der Vergangenheit zwischen ihr und Harald? Sie war an seiner Seite gewesen, hatte sein Leben mit ihm gelebt, und jetzt musste sie sich die Frage stellen, ob all das, worauf sie ihr gemeinsames Leben aufgebaut hatten, nicht mehr als eine Lüge gewesen war.
Sie dachte aber auch an all die Pläne, die Harald für die Zeit nach seiner Pensionierung geschmiedet hatte. Zukunftspläne, in die er sie mit einbezogen hatte. Jetzt schien sie nicht einmal mehr in der Gegenwart eine Rolle für ihn zu spielen.
»Malin?«
Malins Kopf fuhr hoch. Im Licht der Straßenlaterne, die bis auf das Grundstück fiel, erkannte sie Sören. Mit einem Korb in der Hand kam er auf sie zu und schaute sie überrascht an. Malin stand auf, wischte sich schnell über die Augen, damit er die Tränen nicht sah.
»Entschuldige, dass ich mitten in der Nacht vor deiner Tür sitze«, sagte sie stockend, »aber ich habe es zu Hause einfach nicht mehr ausgehalten.« Sie konnte nichts dagegen tun, die Tränen liefen weiter über ihre Wangen.
»Was ist denn passiert?« Sören sah erschrocken auf. »Komm erst einmal rein«, bat er und schloss die Tür auf. »Clara schläft diese Nacht bei einer Freundin«, fügte er hinzu, als müsse er sich dafür rechtfertigen, dass er erst so spät nach Hause kam.
Malin folgte ihm in die Küche. Sören stellte den Korb ab, füllte zwei Gläser mit Rotwein und reichte ihr eines, bevor sie am Küchentisch Platz nahmen. Lange sagte niemand ein Wort, und Malin fragte sich, ob es richtig war, dass sie mit ihrem Kummer ausgerechnet zu Sören gegangen war. Sören war ein guter Freund, sie vertraute ihm vorbehaltlos. Aber Sören arbeitete auch mit Harald zusammen, und sie wollte ihn nicht in einen Gewissenskonflikt bringen.
»Malin, was ist los?«, fragte Sören mit sanfter Stimme.
Sie trank einen Schluck und richtete dann den Blick auf ihn.
»Ich habe ja immer gewusst, dass sie seine große Liebe war«, sagte sie leise. »Aber wir haben uns doch dann auch geliebt, und ich habe immer geglaubt, unsere Liebe reicht für ein ganzes gemeinsames Leben. Aber nun reicht es ihm wahrscheinlich doch nicht mehr. Er hat wahrscheinlich nie aufgehört, an sie zu denken.«
Sören beugte sich ein wenig vor. »Von wem redest du denn eigentlich?«
»Von Kristina«, stieß Malin bitter hervor. »Wenn sie damals nicht weggelaufen wäre, hätte Harald sie geheiratet. Und jetzt ist sie wieder da, und dieses Mal wird sie ihn nicht mehr loslassen.«
Sören schaute sie fassungslos an.
Weitere Kostenlose Bücher