Windbruch
Sekretärinnen angebrüllt, sie solle den nächsten Flug nach
Deutschland buchen, und wenn der nicht innerhalb von zwei Stunden stattfände,
würde ihr umgehend gekündigt. Die Mitarbeiter, die das Pech hatten, ihm in
dieser Stimmung über den Weg zu laufen, hatten unwillkürlich die Köpfe
eingezogen, denn einen solchen Ausbruch hatten sie bei ihrem Chef noch nie
erlebt.
„Die Suche nach Tomke läuft auf
Hochtouren, Maarten. Die Polizei tut, was sie kann.“
„Ja, eben“, rief er aufgebracht,
„die können doch nichts! Oder hast du in den letzten Wochen irgendwelche
Fortschritte in den Ermittlungen gesehen? Versagt haben sie, auf ganzer Linie
versagt! Denn hätten sie ihren Job vernünftig gemacht, dann säße Tomke jetzt
gemütlich auf ihrem Sofa und nicht ... Scheiße! Ich ertrage diesen Gedanken
nicht, ich ertrage ihn einfach nicht!“
Franziska legte ihm beruhigend
die Hand aufs Bein. „Lass uns die Zeit, die wir hier rumgammeln müssen,
wenigstens konstruktiv nutzen. Wir müssen uns eine Strategie ausdenken, wie wir
die Polizei bei der Suche nach Tomke unterstützen können. Natürlich dürfen die
davon nichts wissen, sie würden uns sofort jede Maßnahme strikt untersagen.
Aber dumm herumsitzen und Däumchen drehen will ich auch nicht. Komm, wir gehen
jetzt alles noch mal durch und überlegen uns, wer für diese Schweinerei infrage
kommt.“
„Womöglich ist sie schon ...
tot“, sagte Maarten gequält.
„Quatsch!“, stieß Franziska
gepresst hervor.
„Der Mörder von Rautschek ist
noch auf freiem Fuß, wie wir jetzt wissen. Vielleicht hat er es auch auf Tomke
abgesehen.“
Der Gedanke war Franziska
natürlich auch schon gekommen, sie hatte sich aber nicht getraut ihn
auszusprechen. Irgendwo in Ostfriesland lief ein brutaler Mörder herum, und es
war gut möglich, dass er auch Tomke, aus welchem Grund auch immer, ins Visier
genommen hatte. Womöglich war es tatsächlich Inka, wie es ein Journalist in der
aktuellen Ausgabe der Ostfriesenzeitung gemutmaßt hatte. Denn, wer in der Lage
war, ein kleines, unschuldiges Kind zu entführen, der schreckte im Zweifel auch
vor einem Mord nicht zurück. Inka. Nie im Leben hätte Franziska gedacht, dass
ihre stets freundliche Kollegin zu solch einer Tat fähig war. Da verlor man
doch echt den Glauben an die Menschheit.
„Was ich nicht verstehe“, sagte
Franziska, nachdem sie eine Weile geschwiegen hatte, „ist, warum Antje, die
Praktikantin, die auf der Plattform ums Leben kam, laut ihrer Freundin Esther
einen Mord beobachtet haben will. Denn wie wir ja erfahren haben, war Rautschek
zum Zeitpunkt seiner Ermordung gar nicht mehr auf der Plattform.“
„Darüber habe ich auch schon
nachgedacht“, nickte Maarten, und seine Stimme klang jetzt deutlich ruhiger.
Anscheinend war die plötzliche Wutattacke abgeebbt. „Da muss irgendwas
vorgefallen sein, von dem wir noch nichts wissen. Vielleicht hat sie sich ja
getäuscht.“
„Hm. Aber warum sollte sie so was
behaupten, wenn sie sich nicht absolut sicher war? Sie muss zumindest etwas
gesehen haben, was für sie wie ein Mord aussah, das steht fest. Vielleicht
sollten wir Esther noch mal genauer fragen.“
„Das wird nichts bringen. Mehr
als damals wird sie uns auch jetzt nicht sagen können, schließlich ist die
einzige Tatzeugin tot“, bemerkte Maarten zweifelnd.
„Trotzdem. Ich rufe Esther mal
an, wenn wir wieder zurück sind“, erwiderte Franziska bestimmt.
Maarten sah sie finster an. „Mir
wäre es lieber, wir würden erstmal die Entführung von Tomke aufklären.“
„Vielleicht hängt das miteinander
zusammen.“
„Wir werden es nicht
herausbekommen, Franziska. Lass uns jetzt überlegen, wie wir weiter vorgehen.
Es hat keinen Sinn, nachher wie die kopflosen Hühner durch Emden zu springen.“
„Meine Worte“, sagte Franziska
gedehnt. „Ich würde vorschlagen, wir gehen einfach mal in Tomkes Haus und sehen
uns da ein wenig um.“
„Die Polizei wird das Haus
versiegelt haben“, gab Maarten zu bedenken.
„Nun, dann müssen wir es eben auf
offiziellem Wege machen.“
„Wie soll das denn funktionieren?
Das macht die Polizei doch nie im Leben mit!“
„Wir sagen einfach, wir wüssten
was von den Tagebüchern.“
„Tomke hat Tagebücher
geschrieben? Woher weißt du das denn?“
„Ich weiß es doch gar nicht. Aber
wir tun so, als wüssten wir, dass es welche gibt und wo sie sie versteckt hat.
Und dann bitten wir darum, dass wir ins Haus gehen und sie holen dürfen.“
Maarten
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